Sa Font des Noguer – Refugi Son Amer

26.04.2025, Tag 5, 20,7 km Gesamt: 123,8 km

Die Nacht auf der Picknickbank war relativ angenehm – kein Wind und annehmbare Temperaturen. Lediglich meine allgemeinen Schmerzen lassen mich immer schwer in den Schlaf finden bzw. wecken mich oft. Aber da muss ich in meinem Alter offenbar durch.

Heute freue ich mich ganz besonders auf das Weckerklingeln, da heute der schönste Streckenabschnitt ansteht.

Es geht zwar zunächst mit einem knackigen Anstieg los, aber die zwanzig Minuten lohnen sich, denn wenn man oben durch die Maueröffnung tritt, eröffnet sich einem ein fantastischer Ausblick in ein langgestrecktes Tal. Außerdem ist ab diesem Moment alles ruhig, der Straßenlärm, der mich den gesamten Aufstieg über begleitet hat – weg. Ich höre nur noch Vögel und Schafe.

Traumhaft! Dieser Anblick ist der Grund, warum ich heute zum zweiten Mal hier stehe!

Der Tafelberg im Hintergrund, der so majestätisch und wuchtig aus der Gegend aufragt – ich war so dermaßen beeindruckt, dass ich mir gesagt habe, hier muss ich nochmal hinkommen.

Et voila – da bin ich. Und die Begeisterung ist genauso groß.

Ich setze mich auf einen Felsen und sehe den Sonnenstrahlen zu, wie sie sich langsam an den Berghängen hinunterarbeiten. Ich könnte hier noch eine ganze Weile sitzen – auch, weil ich sehr leckeren Schokoladenkuchen frühstücke.

Aber nach zehn Minuten mache ich mich auf den weiteren Weg. Immer das Tal entlang, in völliger Abgeschiedenheit, ohne jemand anderen zu treffen.

Der Pfad windet sich irgendwann um einen Berg herum und ich habe wieder viel Spaß an der abgesicherten Kletterstelle, die dank der massiven Metallketten keine Schwierigkeit darstellen.

Ich komme in einen gewissen meditativen Rhythmus, während ich stundenlang durch das Tal wandere. Der Weg ist nicht super anspruchsvoll und so kann ich meinen Gedanken nachhängen und vor mich hintappsen.

Ziege am Berg

Gegen zehn Uhr erreiche ich das Refugi Tossals de Verds, wo ich aber nur Wasser auffülle, die Toilette benutze und dann gleich weiterziehe.

Denn der nette Teil des Tages ist damit vorbei. Jetzt heißt es wieder rauf, rauf, rauf.

Und zwar geht es hoch zum Coll des Prat, auf sportliche 1.205 Meter.

Der Weg besteht wie in den letzten Tagen aus losen Steinen und führt erst durch Wald, später über der Baumgrenze dann zwischen Büschen und Disgras hindurch.

Umso näher ich dem Gipfel komme, umso mehr verdunkelt sich der Himmel und dichte Wolken ziehen auf. Warm ist es aber trotzdem noch.

Ich erinnere mich, dass genau dieses Wetter auch vor zehn Jahren herrschte und schon damals die Wolken verhinderten, dass ich den Abstecher auf den Puig de Massanella auf 1.367 Metern machen konnte.

Mit dem kleinen Unterschied, dass ich heute sowieso nicht hoch gewollt hätte.

Puig de Massanella

Der Gipfel des Coll des Prat ist überraschend gut besucht…mindestens 20 Menschen machen hier Pause. Und als ich auf der anderen Seite den Abstieg beginne, kommen mir noch zahlreiche Menschen entgegen.

Der Abstieg führt an mehreren Schneehäusern vorbei, deren Überreste hier in der Gegend überall zu finden sind.

Dann folgt nochmal ein kleiner Anstieg, um danach komplett in Wolken gehüllt final nach unten abzusteigen.

Ich mag Nebel…alles ist ruhig und die aus den hellen Schwaden auftauchenden Umrisse werden viel interessanter, als wenn sie schon von Weitem sichtbar gewesen wären.

Nachdem die Baumgrenze erreicht ist, kann man auch wieder weiter als zehn Meter sehen und der Weg schlängelt sich in Zick-Zack-Linien hinab.

Die Strecke bis nach Lluc zieht sich dann noch ganz schön. Sowieso habe ich heute den ganzen Tag über die angegebenen Gehzeiten deutlich überschritten, was normalerweise nicht der Fall ist.

Kurz vor Lluc fängt es an zu nieseln. Ich ziehe meinen Schirm wie ein Musketier sein Schwert aus dem Rucksack und rufe laut: „Ha! b ich’s doch gesagt, den Schirm habe ich nicht umsonst eingepackt!“

Naja…laut gerufen habe ich es eher nicht – aber es mir in meinen Gedanken ausgemalt, als ich stolz wie Bolle mit dem Schirm an den Wander*innen vorbeischlendere, die ganz hektisch ihre Regenponchos und -klamotten rauskramen und überwerfen.

Obwohl es erst 15:30 Uhr ist, als ich das Kloster in Lluc erreiche und ich heute auch nur knapp 20 km gelaufen bin, bin ich geschafft und freue mich auf meine Isomatte.

Kloster Lluc vom Refugi Son Amer

Ich hatte die Hoffnung, in Lluc nochmal etwas Proviant kaufen zu können, aber der kleine Laden auf dem Klostergelände hat schon zu.

Also erstehe ich im Bistro zwei Snickers für 5 EUR…

Als ich gestern in Sóller einkaufen war, hatte ich nicht genau nachgesehen, bis wann das Essen reichen muss. Bis heute Abend war mir klar, aber die nächste Gelegenheit für Nachschub bietet sich erst morgen gegen Mittag in Pollença. Und da ich nur Kekse und Kuchen gekauft hatte, merkte ich heute schon, dass das keine guten Energielieferanten sind. Snickers als typischer Trailsnack ist da deutlich besser geeignet. 😉

Zu meiner Verteidigung – ich hätte gestern auch Nussriegel oder Ähnliches gekauft…gabs in dem Laden aber nicht.

Naja, mit den beiden Snickers und den Keksen sollte ich gut bis Pollença kommen. Und dort endet meine Wanderung dann wahrscheinlich auch schon.

Der GR 221 wurde zwar bis Port Pollença verlängert, aber ich bin mir noch nicht sicher, ob ich bis dorthin laufe. Das werde ich morgen spontan entscheiden.

Heute bin ich nach Lluc nur noch bis kurz hinter das Refugi Son Amer gelaufen und habe dort zum letzten Mal das Tarp aufgebaut.

Als ich entspannt drin liege, fängt es wieder zu nieseln an.

Ein Gedanke zu “Sa Font des Noguer – Refugi Son Amer

  1. Anonymous schreibt:
    Avatar von Unbekannt

    Hat wieder sehr viel Freude gemacht, deinen Tagesbericht zu lesen und die ganz herrlichen Fotos zu sehen. Der Aufstieg an Ketten entlang verursacht bei mir kalte Schauer im Kopf. Ich hätte Panik bekommen, wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre.

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