Larapinta Trail

01.07. – 12.07.2017, 223 km

Ich bin so froh, endlich aus der Stadt rauszukommen und wieder wandern gehen zu können! So stört es mich auch nicht wirklich, dass der Wecker schon um halb sechs klingelt. Die letzten Nächte waren unangenehm kalt gewesen, an einem Morgen war die Windschutzscheibe gefroren – von innen! Auch heute war es nicht viel wärmer und meine Finger eiskalt, nachdem ich das Geschirr abgewaschen und die Zähne geputzt hatte. Ich war gespannt, wie kalt es in den Bergen werden würde und packte doch noch die Handschuhe ein. Beide Schlafquilts hatte ich sowieso schon eingeplant, da selbst der dickere von beiden bei Minustemperaturen nicht ausreichen würde.

Nachdem der Rucksack final gepackt war, habe ich das Auto aufgeräumt. Das bedeutete, alle Dinge in den Kofferraum und die Rücksitze wieder aufgestellt – sah wieder wie ein normales, leeres Auto aus, mein Kleiner. 🙂 Ich verabschiedete mich von ihm und hoffte inständig, dass er unbeschädigt auf mich warten würde.

Dann ging es los, zunächst vier Kilometer durch die Stadt bis zum Start des Trails an der Telegraph Station. Mein Rucksack war proppenvoll und entsprechend schwer. Ich hatte schließlich für elf Tage Essen mit. Und zusätzlich noch einige Mandarinen, Äpfel und Bananen, die ich vorher nicht mehr aufgegessen hatte. Auf dem Weg zum Start überschlug ich mein Rucksackgewicht und kam auf 16,17 kg, wenn ich zwei Liter Wasser mitrechne. Das mag jetzt nicht übertrieben schwer klingen, aber mit einem rahmenlosen Rucksack wie meinem liegt so ein Gewicht schon an der oberen Komfortgrenze.

Also tat ich das einzig vernünftige und begann den Trail an der Telegraph Station erstmal mit einer Pause 🙂

Ich aß die drei Bananen, damit ich sie nicht länger schleppen musste und suchte dann den Beginn des Weges. Dabei stellte ich mich überraschend unfähig an und irrte einige Zeit über das Gelände. Es gab zwar eine Übersichtstafel, die zeigte aber nur die Mountainbikewege der Gegend. Der Larapinta war dort schemenhaft eingezeichnet, ich fand ihn aber trotzdem nicht. Nachdem ich eine große Runde gelaufen war und mich darüber ärgerte, dass ein angeblich so berühmter und beliebter Weg so schlecht ausgeschildert wurde, kam ich zu einer zweiten Übersichtstafel, die die Wanderwege aufzeigte und nur zehn Meter von der ersten Tafel entfernt stand…hm, das ging ja gut los…

Nach Betrachten der Karte fand ich den Beginn des Weges sofort und es konnte endlich losgehen.

Ich wusste ehrlich gesagt nicht viel mehr über den Larapinta Trail, als dass er 223 km lang ist und zu den zwanzig schönsten Wanderwegen der Welt gehören soll. Außerdem hatte ich in Alice Springs noch gelernt, dass er durch die westlichen MacDonnell Ranges führt. Diese Bergkette bildet gemeinsam mit den östlichen MacDonnell Ranges einen gut sechshundert Kilometer langen Gebirgszug mitten im Outback, in deren Mitte Alice Springs liegt. Durch die Lage im Zentrum Australiens herrscht ein arides, nahezu wüstenartiges Klima, welches die Wanderung anspruchsvoller gestaltet.

Der Trail ist jetzt im Winter besonders warm und so gut wie alle Flüsse sind ausgetrocknet. Dennoch ist die Wasserversorgung gesichert, da es an den Zeltplätzen Regenwassertanks gibt, die mangels Regen durch die Ranger mit Frischwasser aufgefüllt werden. Darüber machte ich mir also keine Sorgen. Ich hatte mir die Karten aufs Handy geladen, aber mir auch noch keine näheren Gedanken über die Aufteilung der einzelnen Etappen gemacht, das wollte ich spontan machen. Durch den gebuchten Transfer zurück nach Alice Springs hatte ich ja ein festes Datum, zu welchem ich am Ziel sein musste. Ich hasste das und habe sowas bis jetzt eigentlich immer ganz gut vermeiden können. Der große Vorteil an einer mehrtägigen Wanderung mit Zelt ist ja gerade die Flexibilität in der täglichen Streckenlänge. Man kann mehr oder weniger so weit laufen, wie man möchte und ist dann ggf. früher oder später als geplant am Ziel.

Aber gut, das würde ich auch hinbekommen und mit elf Tagen hatte ich auf jeden Fall ausreichend Zeit, um es ruhiger angehen zu lassen. Für den ersten Tag standen 24 km an.

Und der Trail begann wunderschön! Es ging zunächst durch eine grüne Baum- und Buschlandschaft und der Weg schlängelte sich immer weiter die Hügel hinauf, wobei man von Anfang an schöne Weitblicke auf die umliegenden Erhebungen hatte. Das war der Vorteil an solch einer Wüstenstadt wie Alice Springs – sobald man die Stadt verlassen hat, steht man mitten in unberührter Natur. Wenn man sich nicht umdreht, kann man schon hundert Meter hinter dem letzten Gebäude das Gefühl haben, im Umkreis von mehreren hundert Kilometern der einzige Mensch zu sein.

Larapinta Trail, Section 1

Und jetzt am Vormittag war es auch noch nicht so heiß, es wehte ein leichter Wind und so wanderte es sich selbst mit dem schweren Rucksack ganz wunderbar durch diese nur auf den ersten Blick ausgetrocknete Landschaft. Es ging stetig bergauf, und bald ging es direkt an der Abbruchkante auf einem Kamm entlang. Der Blick auf die langen Bergketten und das weite Tal davor war fantastisch und hinten waren noch lange die Dächer von Alice Springs zu erkennen.

Meine Begeisterung für diesen wunderschönen Weg, der immer gut erkennbar und ausgeschildert war, stieg fast ins euphorische, als ich feststellen durfte, dass die Kilometer markiert waren! Was für ein Luxus und eine Erleichterung beim Wandern. Braucht man doch nie mühsam die verbleibende Strecke durch Schätzungen des eigenen Tempos zu ermitteln, sondern weiß immer, wo man gerade ist und wie weit es noch bis zum nächsten Ziel ist.

Hurra, nur noch 222 Kilometer

Gegen 13 Uhr erreichte ich Wallaby Gap, den ersten Zeltplatz auf der Strecke. Es gab überdachte, schattige Sitzgelegenheiten, Toiletten und Wasser aus dem Tank – damit war eine perfekte Pause garantiert. Die Cracker mit dem Käse schmeckten fantastisch und heute gab es sogar noch Mandarinen dazu.
Und mehr als die Hälfte der Tagesstrecke hatte ich auch schon geschafft, es waren noch zehn Kilometer bis Simpsons Gap, wo ich gegen halb fünf ankam und erleichtert den schweren Rucksack ablegen konnte. Es gab einen neuen Shelter, der an drei Seiten geschlossen war. Zwei Frauen hatten es sich auf einer Hälfte schon gemütlich gemacht. Da es keine ebenen Flächen zum Zelten mehr gab, entschied ich mich auch für den Shelter und richtete mich auf der anderen Hälfte ein. Vielleicht würde es im Schutz der Wände auch nicht ganz so kalt sein wie im Zelt.

Simpsons Gap Shelter

Zum Abendessen gab es kalte Ramennudeln, da ich dieses Mal „stoveless“ unterwegs war, also ohne Kocher. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen natürlich das Gewicht – ohne Kocher und vor allen Dingen Gaskartusche sparte ich einige hundert Gramm. Dann die Kürze der Strecke – für elf Tage lohnte es sich für mich nicht, eine neue Gaskartusche zu kaufen (und auf Spiritus wollte ich jetzt auch nicht ausweichen). Außerdem hatte ich bei der Hitze sowieso keine großen Ambitionen auch noch zu kochen und warm zu essen und nicht zuletzt wollte ich es einfach mal ausprobieren. Viele Menschen reagieren auf eine entsprechende Ankündigung immer gleich: „Kein Kocher? Also ich brauche was Warmes zu essen!“ So habe ich anfangs natürlich auch reagiert, aber wenn man sich mit dem Thema ein wenig auseinandergesetzt hat, kann man zu der Erkenntnis kommen, dass das lediglich aus der Gewohnheit heraus so gesehen wird. Es spricht absolut nichts dagegen, sich nur von kaltem Essen zu ernähren – zumal wir bei einer Wanderung von einem zeitlich begrenzten Zeitraum reden – und spätestens nach ein paar Tagen sowieso alles schmeckt, was irgendwie den Hunger stillen kann 😉
Also habe ich die Nudeln mit kaltem Wasser aufgefüllt und einweichen lassen. Nach cirka 15 Minuten waren sie wirklich richtig weich und haben lecker geschmeckt.

Die erste Etappe des Larapinta Trail war wirklich richtig schön gewesen. Wenn es nur annähernd so weiter gehen sollte, ist das auf jeden Fall einer der schönsten Wanderwege der Welt! Und Abends gab es sogar noch ein Feuerwerk zur Feier der ersten Etappe! Nun gut…das Feuerwerk fand in Alice Springs statt und wurde wohl eher anlässlich des heutigen „Northern Territory Day“ abgefeuert, aber es war schön, abends ins Dunkel zu schauen und ganz weit hinten am Horizont die Raketen aufsteigen zu sehen und das gedämpfte Knallen zu hören.

Die Nacht war gar nicht so kalt, wie ich befürchtet hatte. Zumindest herrschten keine Minustemperaturen. Ich schätze es war nicht kälter als fünf Grad, was mit den beiden Quilts kein Problem war.

Am zweiten Tag waren es gut 25 Kilometer bis zum Zeltplatz Jay Creek. Die Landschaft war wieder sehr abwechslungsreich und ich entdeckte viele neue Pflanzen, die ich gestern noch nicht gesehen hatte – ein Phänomen, welches sich bis zum letzten Tag durchziehen sollte!

Heute ging es zwar mehr in den Ebenen und durch Schluchten hindurch, wodurch die tollen Weitblicke fehlten, aber das tat der Schönheit der Strecke keinen Abbruch. In einer Schlucht kam ich an der Spring Gap an dem ersten Wasserloch dieser Wanderung vorbei.

Spring Gap

Der Larapinta führt zwar oft an Flüssen entlang oder quert diese, aber sie sind alle ausgetrocknet und ich habe mich richtig gefreut, als ich das erste natürliche Wasser nach anderthalb Tagen angetroffen habe. Um das Wasserloch herum gab es jede Menge Spuren und es wäre sicherlich spannend, hier mal eine Nacht zu verbringen um die Tiere zu beobachten.

Ich musste aber weiter (und es war auch nicht gestattet, an den Wasserlöchern zu übernachten, um die Tiere nicht zu stören) und freute mich auf meine Mittagspause, die ich auf dem 14 km entfernten Zeltplatz Mulga Camp verbringen wollte.
Der Weg war gut zu laufen, die Hitze war auch auszuhalten und das einzig wirklich Nervige waren die Fliegen. Die aber so richtig…irgendwann im Laufe des Vormittags wachten die Fliegen, die etwas kleiner als unsere normalen „Schmeißfliegen“ waren, auf und dann hatten sie bis zum Sonnenuntergang nichts Besseres zu tun, als uns Wanderer in den Wahnsinn zu treiben. Das schafften sie auch nahezu, indem sie den ganzen Tag um einen herumsurrten und bevorzugt im Gesicht oder auf den Ohren landeten. Ich machte während des Laufens ununterbrochen hektische Wedelbewegungen und war insbesondere bei etwas anstrengenderen Passagen richtig, richtig genervt. Interessanterweise war es, wenn man im Camp saß, etwas besser, da die Viecher dann irgendwann aufgaben. Aber das half auf dem Weg natürlich auch nicht weiter.

Invasion der Nerv-Fliegen

Es ging dann durch eine Gegend, in der es vor nicht allzu langer Zeit gebrannt hatte. Da Feuer hier zum natürlichen Kreislauf dazugehören und die Ureinwohner zum Beispiel ganz gezielt Feuer legen, um die Böden zu bewirtschaften, ging ich ohne das bedrückte Gefühl hindurch, was sich normalerweise beim Anblick verkohlter Bäume einstellt. Und tatsächlich konnte ich an vielen Stellen schon wieder die Zeichen neuen Lebens entdecken. Kleine, grüne, saftige Blätter stießen durch die Erde, zwischen verkohlten, ausgetrockneten Zweigen zeigte sich ein üppiger Busch neuen Grünzeugs.

alles neu macht das Feuer

Als der 14km Marker kam, war ich allerdings immer noch mitten im Brandgebiet – und von dem Zeltplatz keine Spur. Der wird doch hoffentlich nicht abgebrannt sein? Ich wanderte weiter und nach 16 Kilometern kam dann doch endlich das Schild, dass auf Mulga Camp in 200 Metern Entfernung hinwies. Wurde auch Zeit – habe ich mich doch schon den ganzen Vormittag auf die Mittagspause gefreut. Heute gab es nämlich zu den Crackern mit Käse einen Apfel – und diese Kombination ist ja wohl mit das Leckerste, was man so essen kann 🙂 während ich genüsslich vor mich hinkaute, dachte ich kurz darüber nach, ob es sich nicht doch lohnen würde, öfter ein wenig Obst mitzuschleppen…

Nachmittags ging es weiter durch überwiegend schattenloses Gelände, vorbei an Spinnifexgras und Eukalyptusbäumen. Ich hatte relativ dicke Wandersocken an und bemerkte mit fortschreitender Zeit wie meine Füße immer wärmer wurden. Normalerweise werden sie durch das Mesh in den Schuhen einigermaßen gekühlt, aber durch die dicken Socken fand so gut wie kein Luftaustausch statt. Ich verpasste mir den Spitznamen „Häuptling qualmende Socke“ und nahm mir vor, bei der nächsten Wüstenwanderung besser auf passende Socken zu achten.

Aber der Zeltplatz Jay Creek war nun nicht mehr weit, irgendwo kurz nach dem 25 Kilometer Marker musste er kommen…kam aber natürlich nicht. Das ist der einzige Nachteil an den Kilometer-Marken – man verlässt sich komplett auf sie und wenn sie nicht stimmen, wird es unangenehm. Ich hatte zwar noch ausreichend Zeit und Wasser, war aber auf Ankommen eingestellt und hatte überhaupt keine Lust, noch weiter zu laufen…aber half ja nix. Erst einen Kilometer später als angekündigt tauchte endlich die Hütte auf. Es waren schon vier junge Leute vor Ort, später kam noch ein älterer Mann dazu, der den Weg in die andere Richtung lief und also bald fertig war. Wir tauschten unsere Kenntnisse zu den Abschnitten aus und ich sah mir endlich mal die Karten genauer an, um meine nächsten Etappen zu planen. Dabei stellte ich fest, dass es gar nicht so einfach ist, den Weg in elf Etappen einzuteilen. 

Der gesamte Weg ist in zwölf Sektionen eingeteilt, wobei diese Längen zwischen neun und einunddreißig Kilometer aufweisen und nicht als Tagesetappen gedacht sind. Wirklich entscheidend für die Einteilung ist die Wasserversorgung. Und das macht es sehr schwer, Etappen in beliebiger Länge zu bilden, zumindest wenn ich nicht trocken campen will. Und das will ich in der Tat nach Möglichkeit vermeiden, da ich nur drei Liter Wasser tragen kann und das bei diesem Wetter für eine Übernachtung relativ wenig ist. Andererseits will ich aber die längste Sektion teilen und muss dadurch zweimal eine Doppelsektion laufen, wenn ich den Trail in elf Tagen schaffen will…also nehme ich mir vor, die dritte und vierte Sektion zusammenzulegen. Das sind insgesamt 30 km, wenn die Strecke aber so ist, wie an den ersten beiden Tagen, ist das kein Problem.

Die Strecke ist natürlich nicht so wie in den ersten Tagen.

Es geht damit los, dass ich durch ein sandiges und dann steiniges Flussbett stolpern muss. Als Ziel wartet zwar das wirklich schöne Wasserloch „Fishhole“, welches bei den Einheimischen heilig ist, aber es ist sehr anstrengend bzw. nervig über die losen Steine zu laufen.

Fishhole

Und die Qualität des Weges wird nicht mehr besser – heute nicht und auf den folgenden Etappen nicht. Die beiden ersten Etappen waren offensichtlich zum Warm werden gedacht. Mit der dritten Sektion zeigte sich dann das wahre Gesicht des Larapinta. Welches nicht schlecht war, aber deutlich anspruchsvoller und anstrengender, als zunächst gedacht.

Ein Großteil des Weges führte einfach mal immer in einem der vielen Flussbetten entlang. Abwechslung entstand dort nur durch die Größe der Steinbrocken und den Steigungswinkel. Vom Stolpern über kleine, rutschige Steinchen und Geröll bis zum Klettern auf allen Vieren über große Felsbrocken war alles dabei. Es machte durchaus Spaß, war aber auch anstrengend und ich kam nicht so schnell vorwärts, wie gedacht.

Nach einem kurzen Stück normalem Weg ging die Kletterei durch enge Schluchten und hinauf auf die Berge weiter. Am Ende kam nochmal ein sehr steiler Anstieg, der allerdings mit einem wundervollen Ausblick auf das Tal belohnt wurde – in welches man jetzt wieder hinabsteigen durfte. Um kurz vor zwölf Uhr hatte ich endlich Standly Chasm erreicht und damit die dritte Sektion und 13 Kilometer geschafft.

immer den Pfeilen folgen…war oft nicht einfach…

Mit Sektion 4 lagen noch 17 Kilometer vor mir und wenn die ähnlich gestrickt waren, wie Sektion 3 (worauf der Schwierigkeitsgrad schließen lies) würde ich das auf keinen Fall mehr schaffen. Das bedeutete, ich musste vorher übernachten – ohne Wasserquelle…
Ich füllte meine Flaschen auf, trank nochmal einen halben Liter auf Ex und lief um dreiviertel eins weiter.

Nach dem obligatorischen Stück durch ein steiniges Flussbett begann langsam der Anstieg. Es ging auf zehn Kilometern hinauf zum Brinkley Bluff, einem der höchsten Punkte auf dem Larapinta. Nach vier Kilometern kam mir ein älterer Wanderer entgegen, wir redeten kurz. Er war überzeugt davon, dass meine drei Liter Wasser nicht reichen würden. Ich konnte nur lächelnd antworten, dass sie reichen mussten. Er erwähnte auch den Sonnenuntergang auf Brinkley Bluff und auf den weiteren Metern verfestigte sich bei mir der Plan, dort oben – wo man auch zelten durfte – die Nacht zu verbringen und morgen dann die restlichen sechs Kilometer bis zum nächsten Wasser zu laufen.

Ich rationierte das Wasser in Gedanken so, dass ich einen Liter für den Aufstieg, einen Liter für Abends und Morgens im Camp und einen Liter für den Abstieg am nächsten Tag haben würde.

Dann wanderte ich weiter den Berg hinauf und als ich um eine Kurve zum Bridle Path Lookout kam, bot sich mir der spektakulärste Ausblick, den ich seit langer Zeit gesehen hatte. Die Aussicht war so beeindruckend, dass ich Tränen in den Augen hatte und mein Herz überquoll vor Freude. Linker Hand konnte ich den Bergrücken von Brinkley Bluff sehen. Vorne und rechts schlängelten sich andere Bergzüge durchs Bild und dahinter bot sich der Blick auf die Ebene des Outback – unendlich und grenzenlos.

auf Fotos nur halb so schön – unendlicher Weitblick

Ich war so begeistert, dass ich alle paar Meter stehen blieb und weitere Fotos machte. Und ich war glücklich, richtig, richtig glücklich! Was für eine fantastische Gegend, was für ein fantastischer Weg – definitiv einer der schönsten der Welt!

hinten links: Brinkley Bluff

Vier Kilometer vor dem Ziel traf ich auf eine Familie, die einige Sektionen des Weges wanderten. Überhaupt hatte ich heute schon ein paar Kinder angetroffen, diese Etappe musste bei Familien sehr beliebt sein. Und trotz des hohen Schwierigkeitsgrades konnte ich vollkommen nachvollziehen warum. 

Ich setzte mich zu Ihnen, da sie gerade Pause machten und trank ein paar Schlucke Wasser. Die drei Kinder machten alle noch einen fitten Eindruck und schienen ebenfalls Spaß zu haben. Nachdem ich kurz erzählt hatte was ich in Australien mache, empfahl mir die Mutter, unbedingt in Western Australia den Karijini Nationalpark zu besuchen. Dort würde es einzigartige Schluchten und tolle Bademöglichkeiten geben.

Das war eine sehr symphatische und amüsante Eigenschaft der Australier, die mir immer wieder begegnete. Sie nutzten jede Gelegenheit, um Reisetipps zu geben. Teilweise waren sie selbst noch gar nicht dort gewesen, kannten aber jemanden, der dort in der Nähe lebte oder dort schon war. Sie erzählten immer mit einer Begeisterung und in einer farbenfrohen Ausführlichkeit von den Orten, die ansteckend war und man merkte, dass sie ihr Land wirklich mochten. Und dass sie mir aufrichtig eine schöne Zeit in Australien wünschten.

Ich machte mich auf die letzten vier Kilometer bis zum Bluff. Der Hauptanstieg war geschafft und es ging jetzt auf dem teilweise sehr schmalen Kamm entlang. Die Sonne brannte und ich hatte unglaublichen Durst. Ich hatte dummerweise vormittags nur einen Liter Wasser dabei gehabt, was bei dem anstrengenden Weg auch schon zu wenig war und so wurde mir nun bewusst, dass ich schon leicht dehydriert losgelaufen bin…aber die wundervolle Aussicht lenkte mich ein wenig ab und um zehn nach vier erreichte ich dann endlich das Gipfelkreuz – ich war fix und fertig vor Durst.

Offensichtlich war ich nicht die Einzige, die auf die Idee gekommen ist, hier oben zu übernachten. Genaugenommen schienen fast alle, die den Larapinta laufen, diese Idee zu haben, es war richtig voll. Bestimmt dreißig Zelte standen am Ende auf jedem einigermaßen ebenen Fleckchen, das sich finden ließ. Ich hatte mir einen Platz relativ am Ende des Berges geschnappt und war damit etwas von den „Massen“ entfernt.

Zufrieden trank ich den Rest des erstes Liters Wasser und aß dann wieder kalte Nudeln. Ich hatte immer noch Durst und trank im Laufe des Abends den zweiten Liter bis auf ca. dreihundert Milliliter, die ich noch fürs Müsli brauchte. Dann ging die Sonne langsam unter und von oben sah es fantastisch aus. Noch zehn Minuten nach Sonnenuntergang war ein schmaler Streifen am Horizont blutrot gefärbt. Der Halbmond leuchtete, die Sterne glitzerten und ich ließ beide Außentüren des Zelts offen, um Nachts die tolle Sicht zu genießen.

Meine Füße taten ziemlich weh, so dass ich lange nicht einschlafen konnte. Dafür war meine Sorge, dass es hier oben auf dem Berg sehr kalt werden würde unbegründet. Mit meinen beiden Decken war es angenehm warm und ich hatte sogar den Eindruck, dass es morgens etwas wärmer als in den letzten beiden Nächten war.

Sonnenaufgang Brinkley Bluff

Zum Sonnenaufgang baute ich das Zelt ab und machte mich an den Abstieg, der über einen steilen, teilweise mit Stufen versehenen Pfad und dann den Stuart’s Pass führte. Der verbleibende Liter Wasser war ausreichend für die sechs Kilometer, aber ich spürte deutlich, wie mir der Wassermangel in den Knochen steckte. Entsprechend froh war ich, als ich das Ende der vierten Sektion erreicht hatte. Ich trank erstmal einen Liter vor Ort und füllte dann beide Flaschen wieder auf. Um nicht nochmal ohne Wasser übernachten zu müssen, musste ich heute noch die komplette fünfte Sektion laufen. Mit 16 Kilometer Länge war das eigentlich nicht so das Problem, wenn dafür nicht zehn Stunden veranschlagt worden wären…ich hatte zwar noch nie so lange gebraucht, wie angegeben, aber ich wusste auch nicht, wie viel schneller ich sein würde. Aber half ja nix, also ging ich um zwanzig vor zehn frisch gestärkt weiter.

Das Höhenprofil auf der Karte zeigte nach einem ebenen Stück eine stetige Steigung bis auf den nächsten Berg an. Zunächst ging es jedoch erstmal die Spencer Schlucht entlang und über große Felsbrocken hinüber. Ich brauchte eine ganze Weile um zu begreifen, dass die Schlucht nicht vor der Steigung aufhören würde, sondern ich schon mittendrin war und der Weg stetig anstieg. Da ich sowieso die ganze Zeit am Klettern war, viel das nicht so auf. Die Spencer Schlucht erinnerte mich stark an das Deception-Valley auf dem Te Araroa, nur dass hier gerade kein Wasser floss.

Klettern in der Spencer Gorge

Nach einer letzten, anstrengenden Kletterei hatte ich endlich den Sattel erreicht. Der Weg ging aber nicht, wie üblich, auf der anderen Seite des Sattels wieder runter, sondern rechts den Berg hinauf. Um zwölf Uhr stand ich endlich auf dem hoechsten Punkt der Razorback Ridge – und hatte wieder eine absolut fantastische Aussicht. 

einmalige Mittagspause auf der Razorback Ridge

Drei Mädels machten sich gerade wieder auf, so dass ich mich in den Schatten eines Busches setzen konnte und eine traumhafte Mittagspause genoss. Für diese Momente lohnten sich sämtliche Anstrengungen.

Nach der Pause machte ich mich auf den Weg nach unten über die Kämme der immer kleiner werdenden Berge. Als mir zwei junge Männer entgegen kamen, sprachen sie mich an, ob ich einem der drei Mädels, die vor mir sind, etwas geben könnte. Er kramte in seiner Tasche und zog dann einen Ziplockbeutel Gummibärchen und eine Packung Dehydrierungspulver raus. Er machte sich große Sorgen um die Wanderin und hatte ihr schon von seinem Wasser abgegeben, da sie wohl stark dehydriert war. Ich versprach ihm, die Sachen zu übergeben – auch wenn es mir bei den Gummibärchen schwer fiel – und ging weiter.

Notfallration

Nach einer knappen halben Stunde hatte ich die kleine Gruppe eingeholt. Ein Mädel saß weinend im Schatten und sah in der Tat ziemlich fertig aus. Ich gab ihr die beiden Sachen und fragte, wie viel Wasser sie noch hat. Zweieinhalb Liter…das ist eigentlich genug…der Mann hatte gesagt, dass etwas weiter Arbeiter sind und er hofft, dass sie es bis zu ihnen schafft.

Ich bot an, einen Teil ihres Gepäcks bis zu den Arbeitern zu tragen, aber sie lehnte ab und bat mich nur, den Arbeitern unbedingt zu sagen, dass sie auf sie warten sollen, sie möchte unbedingt von hier weg. Also ging ich weiter, wir wussten leider alle nicht, wie weit es noch bis zu den Arbeitern war.

Schon nach ein paar hundert Metern lehnte an einer kleinen Steinmauer eine Schaufel und hinter der Mauer lag ein Mann im Schatten und döste. Ich weckte ihn auf und fragte, ob er hier arbeitet. Als er das bejahte, erzählte ich ihm von dem Mädel, das dringend Hilfe benötigt und heute mitfahren möchte. Er erklärte, dass sie unten im Tal campen und erst am Freitag nach Hause fahren, aber sie hätten genügend Wasser da und könnten ihr davon abgeben.

Damit hatte ich getan was ich konnte, wusste, dass das Mädel es zumindest bis hier und zum Camp schaffen würde und ging weiter.

Ich traf noch weitere Arbeiter. Sie verbesserten den Wanderweg, was bei dieser Hitze eine richtige Knochenarbeit war, zumal sie mit reiner Muskelkraft riesige Steinbrocken aus dem Boden hebelten und als Stufen wieder anordneten. Ich war ihnen dankbar für diese Arbeit, da der Weg wirklich gut gemacht war.

Hinter dem Camp ging es wieder hinauf zum Rocky Saddle und dann einige Kilometer durch das Linear Valley bis zur Hugh Gorge. Diese Schlucht soll besonders schön sein und da es erst 15 Uhr war und bis zum Zeltplatz nur noch dreieinhalb Kilometer, stellte ich meinen Rucksack ab und lief in die Schlucht rein. Nach Auskunft anderer Wanderer, die an der Kreuzung ihre Zelte aufbauten, waren es nur 15 Minuten bis zum Ende der Schlucht. Ich kletterte und balancierte über die immer größer werdenden Steine und merkte, dass ich ganz schön geschafft war. Nach zwanzig Minuten war ich noch meilenweit vom Ende der Schlucht entfernt und kehrte um – was immer es dort hinten zu sehen gab, für mich lohnte sich der Kraftaufwand nicht, ich musste schließlich noch bis zum Zeltplatz.

Hugh Gorge

Auf dem Rückweg ärgerte ich mich, dass ich es überhaupt versucht und dabei viel Kraft und Zeit vergeudet hatte, schulterte meinen Rucksack und lief auf dem Larapinta weiter.

Und die letzten dreieinhalb Kilometer hatten es nochmal richtig in sich! Es ging durch den südlichen Teil der Hugh Gorge, immer im Geröll des Flussbetts entlang und an vielen Wasserlöchern vorbei. An einer Stelle nahm das Wasser die gesamte Breite ein und ich musste an der steilen Felswand entlang vorbeiklettern. Ich war jetzt richtig fertig und stolperte nur noch über die umgestürzten Bäume, Steine und andere Überbleibsel, die von den Wassermassen hier während der Regenzeit bunt durcheinander gewirbelt wurden. Um kurz vor halb sechs erreichte ich mit schmerzenden Füßen die Hütte am Hugh Gorge Camp – Halleluja!

Es waren schon ca. zehn Leute da, ich baute aber nur mein Zelt auf, aß Nudeln und ging früh schlafen. Schließlich wollte ich, dass der nächste Tag möglichst schnell beginnt – das war nämlich mein erster „Ruhetag“, was bedeutete, dass ich nur 16 leichte Kilometer laufen musste.

Ich schlief erstmal bis halb acht und ging ganz gemütlich um halb neun los. Dadurch verpasste ich zwar eine der besten Zeiten des Tages, nämlich den Sonnenaufgang und die halbe Stunde danach, wenn das Licht noch ganz frisch und munter ist und die Natur sich den Schlafsand aus den Augen reibt, aber das war es mir wert…ich brauchte unbedingt einen kurzen Tag.

Die Sektion 6 hatte insgesamt 31 km, weshalb ich sie trennen wollte. Wobei es sich um eine einfache Etappe handelte, die man auch gut an einem Tag schaffen würde. Mit der Hugh Gorge verliessen wir nämlich die Chewings Ranges, durchquerten das Alice Valley und gelangten dann zu den Heavitree Ranges. Ich genoss den Weg durch das weite, ebene Alice Valley, in welchem Ghost Gums standen – das sind Eukalyptus Bäume mit einem weißen, leuchtenden Stamm – und die Kilometer flogen nur so dahin. Nach der Hälfte kam ein Tisch im Schatten eines großen Ghost Gums, an welchem ich Pause machte und um halb eins war ich schon am Ziel, dem Zeltplatz Rocky Gully, und konnte den Nachmittag ausspannen.

Alice Valley

Ich hatte mir gerade den einzigen schattigen Platz ausgesucht, um mein Zelt aufzubauen, als Jane eintraf. Sie lief den Trail in die andere Richtung (wie so viele, weil man dann nach Alice Springs reinlief und so keinen festen Endtermin einhalten musste). Eigentlich wollte sie nur Mittagspause machen und dann weiterlaufen, so richtig motiviert war sie aber nicht und da wir uns sehr gut unterhalten haben, ist sie geblieben. Letztendlich sah ihre Planung auch vor, heute hier zu übernachten und sie hatte genügend Essen mit. Als sie ihr Zelt aufgebaut hat, habe ich große Augen bekommen – ein Cubenzelt von zpacks! Der Traum eines  jeden Ultraleichtwanderers…Cuben (bzw Dyneema Composite Fabric, wie es jetzt heißt) ist das leichteste, modernste und teuerste Material, aus dem man heutzutage Zelte bauen kann – ich war sofort neidisch, auch wenn sie die Zwei-Personenvariante hatte…mit der Ein-Personen-Variante war ihr Freund gerade in den Staaten auf dem PCT unterwegs…aha…

Daraufhin entspann sich natürlich erstmal ein ausführlicher UL-Gear-Talk, aber wir redeten im Laufe des Nachmittags und Abends noch über tausend andere Themen. Unter anderem empfahl auch sie mir eine Gegend in Western Australia, die ich mir unbedingt ansehen sollte. Jane ist Künstlerin und sammelte auf dem Larapinta Inspirationen für ihre nächsten Drucke. Dafür fertigte sie Aquarellskizzen an und machte Fotos, die sie dann als Vorlage für die Monochrom-Drucke nutzte. 

Wir hatten einen sehr lustigen Nachmittag und sie lud mich zu sich nach Hause ein, wenn ich auf dem Rückweg nach Melbourne die Zeit haben sollte.

Nachmittags trafen überraschenderweise auch noch die drei Mädels ein, sie hatten es am Vortag nach bis zur Kreuzung an der Hugh Gorge Schlucht geschafft! Es stellte sich heraus, dass das Mädchen gar nicht dehydriert war, sondern einfach nur massive Blasen durch die neuen Wanderschuhe hatte! Es waren hohe, feste Schuhe und sie waren viel zu klein…hm, dann wäre es vielleicht besser gewesen, wenn ich ihr Schmerztabletten gegeben und die Gummibärchen selbst vernascht hätte. 😉

Nach dem Ruhetag standen am nächsten Tag 28 km an, wobei die zweite Hälfte der Sektion 6 genauso einfach war, wie schon die erste. Es ging weiter durch das Alice Valley hindurch und da es sogar teilweise bewölkt war, gab es auch immer wieder Schatten. Um elf Uhr erreichte ich Ellerys Creek. Nach einer ausgedehnten Pause mit Crackern und Käse ging es auf die siebte Sektion, die mit 13 Kilometern nicht sehr lang, aber wieder anspruchsvoller war. 

Wobei es sich in Grenzen hielt. Die Anstrengung bestand nur darin, wieder auf einen neuen Höhenzug, die Heavitree Ranges, zu gelangen, auf dem es dann aber immer entlang ging. Und auch diese Sektion hatte neue Elemente zu bieten. Das Gestein war stark mit Sedimenten durchzogen, da diese Gegend vor langer Zeit am Meeresboden lag und sich die Biomasse abgesetzt hat. 

versteinerte Überreste vergangener Zeiten

Dann kamen sehr grüne Hügel, die so frisch und saftig aussahen, dass sie schon fast an Irland oder Neuseeland im Frühling erinnerten. Das war wirklich das Schöne am Larapinta, obwohl man zwei Wochen durch eine sehr trockene Gegend wanderte, war er total abwechslungsreich, was die Flora anging und es gab jeden Tag neues zu entdecken.

Ich kam schon um halb vier an der Hütte der Serpentine Gorge an und war die Einzige. Das war ungewöhnlich, mal sehen ob es so bleiben würde. Ich sah mir die Schlucht an und als ich wieder zurück kam, war ein weiterer Wanderer eingetroffen. Da ich mein Zelt aber weiter hinten aufgebaut hatte, haben wir uns nur kurz während des Essens unterhalten.

Am nächsten Morgen war es ungewöhnlich kühl, erinnerte mich fast an Alice Springs, aber ganz so eisig war es dann doch nicht und nach ein paar Metern war ich auch wieder auf Betriebstemperatur. Es stand schon wieder nur ein kurzer Tag auf dem Programm. Aber nicht, weil ich es so wollte, sondern weil die Streckenplanung es nicht anders zuliess…am nächsten Tag kam dann nämlich die Sektion 9 mit 29 km und auf der gesamten Strecke gibt es kein Wasser. Also muss ich sie an einem Tag laufen und hatte heute deswegen nur Sektion 8 mit läppischen 13 Kilometern vor mir. So schlief ich wieder bis die Vögel mich weckten und ließ es ruhig angehen. Es ging hinauf zum Counts Point und von dort konnte ich zum ersten Mal Mount Sonder – das Ziel meiner Wanderung – sehen! 

hinten im Bild: Mount Sonder

Ich hatte vorher auch lange überlegt, in welche Richtung ich Larapinta nun laufe und war eigentlich auch so weit, ihn „falsch“ herum zu laufen. Dann traf ich aber auf einen Stand der „Freunde des Larapinta“ und die schwärmten von dem tollen Erlebnis, auf Mount Sonder zuzulaufen. Aus diesem Grund habe ich mich dann doch für die Ost-West-Richtung entschieden (und es war die richtige Entscheidung!).

Nach einer kurzen Rast auf dem Aussichtspunkt ging es den ganzen Berg wieder hinunter. Die letzten Kilometer verliefen durch geradezu dichten, schattigen Wald und um 13:15 Uhr war ich am Ziel, dem Serpentine Chalet Gorge Camp.

Dort hatte sich neben einem anderen Einzelwanderer eine neunkoepfige* Studentengruppe aus Melbourne eingefunden. Abends sassen sie natuerlich noch lange zusammen, aber dank meiner Ohrstoepsel konnte ich ganz gut schafen…bis ich nachts aufgewacht bin, weil mein Magen anfing zu rumoren…ich hatte schon seit dem Vortag leichte Magen-Darm-Probleme und meine Eigendiagnose ergab, dass es nur von dem Wasser kommen konnte, dass ich nicht filterte, weil ich zu faul war. Letztendlich war es ja Trinkwasser, das in die Regentanks gefuellt wurde. Aber wenn die Tanks nicht sauber sind, kann sich doch was eingeschlichen haben. Die Probleme waren aber nicht so dramatisch, als dass ich jetzt noch anfangen wuerde zu filtern – die letzten Tage wuerde es jetzt auch noch gehen.

Waehrend ich noch versuchte, wieder einzuschlafen, fing einer der Studenten ploetzlich lautstark an zu singen…ich glaub ich spinne! Ein komplettes Lied traellerte er vor sich hin und ich war immer wieder kurz davor, ihm zuzurufen, er solle leise sein. Dann war das Lied aber zu Ende und er ruhig…bzw. kruschtelte er nur noch mit seinem Schlafsack rum. Man merkte deutlich, dass er nicht schlafen konnte. Kurz danach fing er wieder an zu singen! In dem Moment, in dem ich „Hey!“ rief, und eigentlich noch „be quite!“ anfuegen wollte, rief der andere Wanderer sinngemaess das Gleiche, drueckte es nur nicht ganz so hoeflich aus…also beliess ich es dabei und der Kerl war auch endlich ruhig.

Um sechs Uhr klingelte der Wecker und ich packte im Dunkeln meinen Kram zusammen. Ich wurde mit einem wunderschoenen Sonnenaufgang fuer das fruehe Aufstehen belohnt und ging gutgelaunt durch ein kleines Tal und dann durch den Inarlanga Pass, eine felsige, aber zum Glueck relativ kurze Schlucht. Danach fuehrte der Weg durch zwei langgestreckte, schmale Taeler, die auf beiden Seiten von Bergketten eingerahmt waren. Die Sonne versteckte sich manchmal hinter weissen Schaefchenwolken, es war ruhig, ausser mir weit und breit niemand zu sehen und absolut traumhaft!

Als ich dann durch die Waterfall Gorge stolperte, begleitete mich ein Rabe, der lautstark kraehte und mir so vielleicht den richtigen Weg zeigen wollte, der teilweise wirklich schwer zu finden war. Dann kam der einzige ernstzunehmende Anstieg fuer heute. Der hatte es aber durchaus in sich, ging es doch richtig steil einen Berg hinauf. Von oben belohnte aber ein wunderschoener Rundumblick fuer die Strapazen und Zeit fuer die Mittagspause war es auch.

Die Haelfte des Weges war geschafft und durch den bewoelkten Himmel hatte ich noch ausreichend Wasser zur Verfuegung. Der Abstieg war dann etwas nervig, weil zum Einen der Weg total steinig war und das Geroell die Schuhe und Fuesse maltraetiert hat und zum Anderen haben die Fliegen mal wieder total genervt. Es hatte einige Abschnitte auf dem Trail gegeben, wo sie nicht so massiv vorkamen, aber meistens kamen sie gegen zehn Uhr vormittags auf und hefteten sich dann bis zum Sonnenuntergang an die wehrlosen Wanderer.

Um dreiviertel vier kam ich dann auf dem Parkplatz an der Orniston Gorge an. Da dies eine der Schluchten ist, die auf einer asphaltierten Strasse zu erreichen ist, gibt es nicht nur einen einfachen Zeltplatz, sondern auch einen Kiosk und jede Menge Tagesausfluegler. Der Kiosk machte um vier Uhr zu, das stoerte mich aber gar nicht, ich war auf der Suche nach etwas anderem…den einzigen Duschen auf dem gesamten Larapinta. Darauf hatte ich mich schon den ganzen Tag gefreut und nachdem ich den letzten Zeltplatz abbekommen hatte, schnappte ich mir mein Handtuch und ging duschen…es war einfach traumhaft! Auch wenn ich am naechsten Tag wieder dieselben Klamotten anhaben wuerde, aber fuer den Moment fuehlte ich mich richtig gut.

Auf dem Zeltplatz uebernachtete auch ein Wanderverein aus Melbourne. Die aelteren Herrschaften waren auch in die andere Richtung unterwegs und hatten also gerade erst angefangen. Die neunte Sektion wollten sie aufteilen und beratschlagten sich den ganzen Abend, wie viel Wasser sie wohl mitnehmen muessten. Ein Paerchen uebertrieb es in meinen Augen etwas, indem sie jeder acht Liter schleppen wollten…aber jeder wie er mag und noch vor fuenf Jahren haette ich wahrscheinlich genauso viel mitgeschleppt.

Ein grosses Thema war auch mal wieder die unterschiedliche Streckenaufteilung. Wenn ich erzaehlte, dass ich den Weg in elf Tagen lief, brachte mir das meistens erstaunte Blicke ein…die allermeisten brauchten laenger. Die Standardlaenge waren offensichtlich 16 Tage, aber zwischen 13 und 18 Tagen war eigentlich alles dabei. Wenn sie dann meinen kleinen Rucksack sahen, der jetzt, wo fast kein Essen mehr drin war, wirklich klein und leicht war, dann hatten sie aber schon mehr Verstaendnis dafuer, dass ich etwas schneller unterwegs war. Und die Einzige war ich ja nun auch nicht, wir leichten Wanderer waren eben nur stark in der Unterzahl.

An dem Abend sprach mich noch ein Maedchen an, die mich schon ein paar Mal gesehen hatte. Sie machte den Weg in zwoelf Tagen und war einen Tag vor mir losgelaufen – wir wuerden uns in den letzten drei Tagen also bestimmt nochmal ueber den Weg laufen.

Die letzten drei Sektionen hatten insgesamt nur 46 Kilometer und ich haette sie locker in zwei Tagen laufen koennen, aber jetzt trat genau der Fall ein, den ich von Anfang an kritisch gesehen hatte. Aufgrund des fixen Termins fuer den Transfer zurueck nach Alice Springs brachte es mir gar nichts, wenn ich frueher fertig werden wuerde. Ich musste also bremsen und lief am neunten Tag nur 19 Kilometer. Die zehnte Etappe war sowieso nur neun Kilometer lang, endete aber fast an der Quelle des Finke River…der uebrigens Namensgeber fuer den Trail ist, da er in der Sprache der Ureinwohner Larapinta heisst. Hier fuehrte der Fluss sogar noch etwas Wasser und am Ufer explodierte die Natur geradezu und brachte dichtes Schilf, ueppiges Gras und allerlei Wasserpflanzen hervor.

Finke River, nahe der Quelle

An dem Wassertank am Etappenende traf ich das Maedel von gestern wieder. Sie war mit einem jungen Mann unterwegs und wir unterhielten uns kurz. Beide staunten ebenfalls ueber meinen kleinen Rucksack…

Die beiden wollten auf Hilltop uebernachten, ein Berg in knapp zehn Kilometern Entfernung. Dort gab es zwar kein Wasser, aber der naechste Zeltplatz war nur vier Kilometer entfernt, so dass man morgens nicht so viel Wasser brauchte und so entschied ich mich, auch dort oben zu uebernachten. 

Die beiden gingen vor, ich blieb noch etwas sitzen, da ich irgendwie die Zeit totschlagen musste, trank insgesamt anderthalb Liter Wasser, fuellte die Flaschen auf und machte mich auch auf den Weg.

Nach sieben ebenen Kilometern begann der Anstieg zum Hilltop, der aber nicht so anstrengend war, wie der Anstieg tags zuvor. Dafuer zogen ploetzlich dunkle Wolken auf und als ich oben ankam, war der Himmel auf der noerdlichen Seite komplett dunkelgrau und es sah verdammt nach Regen aus. Einen romantischen Sonnenuntergang konnte man vergessen und auch fuer den Sonnenaufgang hatte ich keine grossen Hoffnungen. 

über Mount Sonder braut sich was zusammen

Da ich weiterhin mit meinen Magen-Darmproblemen zu tun und gestern auch noch meine Regel bekommen hatte, zog ich eine Uebernachtung bei einer Toilette und dem Wassertank vor und ging bis zum Zeltplatz Rocky Bar Gap weiter. Natuerlich nicht, ohne dem Maedel vorher noch einen Liter Wasser abzugeben, ich brauchte ihn jetzt ja nicht mehr.

Damit schrumpfte die am zehnten Tag zu laufende Strecke auf elf Kilometer…ich bekam nachmittags immer fast einen Lagerkoller, wenn ich so frueh ankam. Ich konnte zwar auf dem Handy lesen und den Blog weiterschreiben und einfach nur auf einem Stein sitzen und Wolken beobachten, aber ich war ja zum Wandern hier und das war es, was ich den ganzen Tag lang machen wollte…da nervte es ziemlich, wenn sich das nur als Halbtagesjob herausstellte. Bei richtiger Einteilung koennte man den Larapinta gut in neun Tagen laufen – und andere UL-Wanderer haben das auch schon wiederholt getan.

Obwohl ich versuchte langsam zu laufen, war ich um elf Uhr bereits am Zeltplatz der Redbank Gorge…immerhin trafen die anderen beiden auch bald ein und wir verbrachten den Nachmittag zusammen. Das Maedel heisst Kiara und kommt aus Kanada, er heisst Tom und ist aus England. Waehrend er sein Zelt neben meinem aufbaute, hatten wir eine interessante Unterhaltung – natuerlich geht es um den Brexit, aber auch die anstehenden Wahlen in Deutschland und der Umgang von Angela Merkel in Bezug auf die Fluechtlinge sind Thema. Ich schaffe es glaube ich ganz gut, ihm zu erklaeren, dass sich Angela Merkel mit der Aktion in 2015 zwar den Respekt vieler Deutscher, einschliesslich mir, eingeholt hatte, die nicht ihre Partei waehlen, dennoch aber viele der Meinung sind, dass zwoelf Jahre Kanzlerschaft genug sind und es Zeit fuer einen Wechsel waere…der aber wohl aufgrund des schwachen Gegenkandidaten nicht kommen wird…

Die beiden gingen frueh schlafen, weil sie am naechsten Tag im Dunkeln losgehen und sich den Sonnenaufgang vom Gipfel des Mount Sonder ansehen wollten. Da das immerhin acht Kilometer sind, mussten sie um halb fuenf losgehen. Ich habe lieber ausgeschlafen, hatte ja den ganzen Tag Zeit fuer die 16 Kilometer und am uebernaechsten Tag koennte ich das immer noch machen, da der Shuttlebus erst zwischen neun und elf Uhr kommen wuerde.

Da man die letzte Etappe auf den Mount Sonder auf dem gleichen Weg zurueck kam, konnten wir unser Gepaeck im Zelt lassen und nur mit Proviant und Wasser ausgeruestet den Aufstieg angehen. Ich startete gegen acht Uhr und brauchte zwei Stunden bis zum suedlichen Gipfel, der das offizielle Ende des Larapinta Trails markierte. Auf dem Weg dorthin kamen mir Kiara und Tom entgegen. Sie waren puenktlich oben gewesen und hatten einen wunderschoenen Sonnenaufgang erlebt. Tom wuerde heute noch zurueck trampen und Kiara wurde heute von einem Shuttlebus abgeholt, so dass wir uns nicht mehr sehen wuerden, wenn ich wieder am Zeltplatz eintraf. Wir verabschiedeten uns und ich freute mich, die beiden kennengelernt zu haben. Selbst auf so einem kurzen Wanderweg wie dem Larapinta traf man sehr schnell Gleichgesinnte und es bildete sich eine kleine Trailfamilie…ich musste an Jane denken und dann bedauerte ich es noch mehr, den Bibbulmun Track nicht laufen zu koennen…genau das war es, was mir am meisten Spass machte – wandern und andere Wanderer kennenlernen, die man im Laufe der Wanderung immer mal wieder trifft und mit denen man auf einer Wellenlaenge liegt und sich super unterhalten kann…ich habe auf dem Larapinta so viel Englisch gesprochen wie seit dem TA nicht mehr – durch mein Auto bin ich sehr autark unterwegs und treffe wenige Leute – dabei will (und muss!) ich doch mein Englisch noch verbessern…es dauert ein paar Minuten, aber irgendwann habe ich den Entschluss gefasst – ich werde den Bibbulmun Track doch laufen! Jawoll. Dann kann ich mir eben nicht so viel an der Westkueste Australiens ansehen, aber alles sehe ich sowieso nie und viele Dinge interessieren mich auch nicht. Ich habe hoechstwahrscheinlich nur einmal im Leben ein Jahr zur freien Verfuegung – da sollte ich doch auch das machen, was ich am Liebsten tun moechte…und das ist nunmal eine Weitwanderung…zumal ich so etwas aufgrund der Dauer auch nicht in einem normalen Urlaub unterbekomme, im Gegensatz zu den ueblichen Seightseeing-Reisen.

Nachdem ich die Entscheidung getroffen habe, geht es mir richtig gut und ich komme bestens gelaunt, wenn auch einigermassen geschafft, auf dem Gipfel an. Der Aufstieg ist zum Ende hin nochmal richtig anstrengend und die gesamte Zeit ueber ist es sehr windig. Immerhin kommt meine Regenjacke, die ich auch als Windjacke nutze, dadurch doch noch zum Einsatz.

geschafft: Mount Sonder, Larapinta Trail

Blick zurück auf den Larapinta Trail

Nachmittags sah ich mir noch die Redbank Gorge an und am naechsten Morgen stand ich tatsaechlich auch um vier Uhr auf, um im Dunkeln nochmals zum Gipfel zu laufen. Da ich wusste, wie lange ich brauchen wuerde, musste ich mir keinen Stress machen, ob ich es rechtzeitig schaffen wuerde und der Halbmond reichte als Lichtquelle sogar aus, so dass ich meine Lampe nur an einigen dunklen Stellen einschalten musste. Ich brauchte wieder exakt zwei Stunden, war wieder ziemlich geschafft, weil es doch sehr anstrengend ist, aber erlebte dafuer den schoensten Sonnenaufgang, den ich je gesehen habe! Ein Sonnenaufgang auf einem Berggipfel mit Blick auf die umliegenden Berge und Ebenen ist schon etwas ganz besonderes…und ein perfektes Ende fuer den Larapinta Trail, der wirklich aussergewoehnlich schoen ist und den ich unbedingt empfehlen kann.

nördlicher Gipfel von Mount Sonder im Sonnenaufgang

Gegen zehn Uhr kam dann der Shuttlebus und brachte sieben frische Wanderer, die heute mit dem Weg starten wuerden. Ich war die einzige Mitfahrerin zurueck nach Alice Springs und hatte auf der zweistuendigen Fahrt, die nochmal an der gesamten Strecke vorbeifuehrte, die ich in den letzten elf Tagen zu Fuss gegangen war, genuegend Zeit, um mir Gedanken um mein Auto zu machen. Wuerde es unbeschaedigt sein oder warteten Probleme auf mich?!?!

Der Fahrer setzte mich vor dem Krankenhaus ab und die letzten Meter zum Auto war ich so dermassen nervoes, dass ich schon von weitem unter den anderen Autos hindurchsah, ob Glassplitter auf dem Boden lagen…ich konnte keine sehen…dann kam ich zum Auto – die linke Seite sah unbeschaedigt aus…noch zwei Schritte…die rechte Seite war auch unbeschaedigt. Puuhhhh….Glueck gehabt…alles gut gegangen! Ich war total stolz auf mein kleines Autochen, lobte es ausfuehrlich und stieg dann gluecklich ein.


*die Umlaute sind alle…aufgrund massiver Probleme mit der Tastatur in der wordpress-app, schreibe ich ab sofort überwiegend im Internetcafé, um weiter Artikel veröffentlichen zu können.

 

 

2 Gedanken zu “Larapinta Trail

  1. Karin und Uwe Hix schreibt:
    Avatar von Karin und Uwe Hix

    Laufen scheint für dich eine unabdingbare Angelegenheit zu sein.Du hattest in deinem Blog über den Bibb nachgedacht. Sind das die berühmten 1000 km? Na, dann viel Erfolg.Wo liegt der eigentlich? Mach weiter so, übertreibe es aber nicht!!

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