16. – 18.05.2017
Ich war ziemlich gespannt auf Canberra. Habe ich doch schon viel von dieser Stadt gehört, die auf dem Reißbrett entstanden ist und deswegen von vielen als uninteressant eingestuft wird. Mein schlauer Reiseführer informierte mich, dass sich die Kolonien Australiens bei ihrem Zusammenschluss 1901 (älter ist das Land Australien noch nicht!) nicht auf eine der beiden größten Städte – Sydney und Melbourne – als neue Hauptstadt verständigen konnten, weil sie erbitterte Rivalen waren. Also einigte man sich darauf, eine komplett neue Stadt aus dem Boden zu stampfen.
Der amerikanische Architekt Walter Burley Griffins gewann den Wettbewerb mit dem Plan einer offenen Gartenstadt. Durch den ersten Weltkrieg und Meinungsverschiedenheiten zog sich der Bau länger als geplant hin, aber 1927 wurde dann das provisorische Parlamentsgebäude eingeweiht und das Commonwealth of Australia hatte eine Hauptstadt.
Ich fuhr noch am Vortag bis in die Innenstadt und war ganz stolz auf mich, dass ich mich relativ gut im dichten Stadtverkehr und auf der „Stadtautobahn“ zurecht fand. Ich hatte ja kein Navi, bzw. wollte ich mein Handyguthaben nicht dafür nutzen, so dass ich klassisch nach Autoatlas gefahren bin und das ist dann doch schon etwas fordernder, insbesondere, wenn man auf einem dreispurigen Highway die richtige Ausfahrt finden soll. Was ich natürlich nicht geschafft habe, aber dank meines unschlagbaren Orientierungssinns bin ich zehn Minuten vor der Schließzeit doch noch am Infocenter eingetroffen und konnte mich mit einem Stadtplan ausrüsten. 
Die nächsten zwei Tage standen ganz im Zeichen klassischen Sightseeings. Zunächst bin ich durch das Botschaftsviertel in Richtung neues Parlament spaziert. Wobei ich feststellen musste, dass bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. Malaysia, die Botschaften alle sehr öde aussahen. Und die deutsche Botschaft war sogar sehr hässlich, erinnert sie doch an einen 70er-Jahre Bau – grauer Beton und braun getönte Scheiben…das mit Abstand größte Grundstück nutzte natürlich die Botschaft der Vereinigten Staaten, die diversen Häuser nahmen einen ganzen Block ein.
Sehr viel interessanter war da das Parlamentsgebäude der Australier. Heute fanden keine Sitzungen des Senats oder Repräsentantenhauses statt, so dass man auch in die beiden Sitzungssäle hineinschauen konnte.
Parlamentsgebäude Canberra
Ich verbrachte über eine Stunde in und auf dem weitläufigen und interessanten Gebäude. Von der Dachterrasse hatte man einen schönen Blick über einen Teil der Stadt und konnte gut die Sichtachsen erkennen, die ein wichtiger Akzent in der Stadtplanung waren.
Danach schlenderte ich am alten Parlamentsgebäude und dem zugehörigen Rosengarten vorbei zum High Court, also dem höchsten Gerichts Australiens. Das Gebäude sah von außen angemessen nüchtern aus, die sehr freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeiter im Inneren zeigten mir jedoch die drei Sitzungssäle, und die waren schon beeindruckend. Die sieben Richter hatten einen zwei Wochen Rhythmus – zwei Wochen Sitzungen und zwei Wochen Aktenarbeit. Momentan brüteten sie wieder über den Akten. Erstmalig war übrigens gerade eine Frau Vorsitzende Richterin. Beim Rausgehen entdeckte ich die Bekanntmachung der Fälle aus der vorherigen Sitzungswoche – schon irgendwie einschüchternd, wenn als gegnerische Partei die Queen antritt… Australian High Court
Danach war ich eigentlich schon Fußlahm und hatte keine große Lust mehr auf weiteres Rumlaufen, aber direkt gegenüber vom High Court befindet sich die Nationalgalerie und wenn ich nun schon mal hier war…also sah ich mir noch einige der Ausstellungen an, u.a. eine Bilderserie über Ned Kelly, einen sehr berühmten australischen Bösewicht aus dem 19. Jahrhundert.
Außerdem hatte ich die Gelegenheit, mir einen echten Monet (Wasserlilien) und irgendwas von Miró anzusehen, wobei ich mal wieder festgestellt habe, dass Malerei nicht meine favorisierte Kunstrichtung ist.
Danach streikten meine Füße dann aber endgültig und ich ging zum Auto zurück, was auch noch mal ein ganzes Stück war. Das war einer der Nachteile Canberras, insbesondere die Innenstadt ist total weitläufig. Was man in anderen Städten locker an einem Vormittag abläuft, führt hier zu einer ausgedehnten Tagesrunde.
Am nächsten Tag bin ich deswegen auch gleich mit dem Auto gefahren, zunächst zum Aussichtspunkt auf dem Mount Aisle, von welchem man schön über die Stadt sehen kann, und dann zum War Memorial, welches sich in der Nähe befindet. In dem großen Bau, der mich sehr an die Architektur einer Moschee erinnert, gab es neben einer langen Wand mit der namentlichen Auflistung aller gefallenen Soldaten auch eine sehr umfangreiche Ausstellung zu sämtlichen Kriegseinsätzen mit australischer Beteiligung. Der erste Weltkrieg ist dabei – wie in so vielen Ländern – das absolut prominente Thema, aber auch der zweite Weltkrieg und die anderen Einsätze werden ausführlich beleuchtet. Dabei steht alles unter dem sehr deutlichen Meinungsbild, dass die Soldaten Helden sind. Die Verehrung und Wertschätzung der Gefallenen ist deswegen nicht nur zum ANZAC-Day in ganz Australien (und Neuseeland) in der Gesellschaft verbreitet. Ich sehe mir einigermaßen schuldbewusst die Ausstellung über den 2. Weltkrieg an und hoffe die ganze Zeit, dass mich niemand fragt, woher ich komme. (Und ja, ich weiß, dass ich persönlich mich nicht schuldig fühlen müsste, aber wir Deutschen sind erfolgreich demütig in dieser Sache erzogen worden – nicht zu Unrecht, wie ich finde.)
Australian War Memorial
Danach bin ich mit dem kulturellen Programm aber endgültig durch und verbringe noch einige Stunden in dem Einkaufs- und Geschäftszentrum Camberras, wo ich u.a. von dem kostenlosen Stadt-WLAN profitiere.
Alles in allem ist Canberra eine schöne Stadt, die sehr von dem künstlich aufgestauten Lake Griffin profitiert, der das Zentrum in eine nördliche und südliche Hälfte teilt und viele Freizeitaktivitäten ermöglicht.
Da ich zumindest das Zentrum relativ gut kennengelernt habe, ist es an der Zeit weiterzufahren. Das nächste größere Ziel stellt Sydney da, anderthalb Tage bin ich dafür auf der Küstenstraße unterwegs und komme an vielen wirklich weißen, tollen Sandstränden vorbei. Überall schlagen feinste Surfwellen an die Strände und ich sehe die kleinen, schwarzen Punkte im Wasser treiben, als die die Surfer von Weitem erscheinen. Irgendwann muss ich auch unbedingt einen Surfkurs machen! Ich habe seit Neuseeland schon total Lust darauf…aber das hat noch etwas Zeit, zunächst besuche ich nur das Blowhole in Kiama und erfreue mich an dem tollen Wetter, dass es hier im Spätherbst noch gibt. Die Temperaturen liegen tagsüber um die 20°C, und auch Nachts friere ich im Auto nicht mehr, wie es in den Bergen durchaus der Fall gewesen war.
















In Kiama hättest Du meinem Großonkel Grüße ausrichten können.
Übrigens ist Australien ja immerhin fast doppelt so alt wie Deutschland 😉
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