Invercargill – Bluff Teil 2

30.03.2017, 1 Tag, 36 km, Gesamtkilometer: 3.000

Der Vollständigkeit halber möchte ich jetzt nochmal den letzten Tag meiner Wanderung schildern, damit trotz aller Emotionen hier alles seine deutsche Ordnung hat 😀

Der Weg ist das Ziel

Es stand mit 34-36km nochmal ein relativ langer Tag an, so dass ich pünktlich um halb sieben aufgestanden und eine Stunde später losgelaufen bin. Invercargill war von einer dichten Nebelwolke eingehüllt und schlief überwiegend noch. Zurück auf dem Track ging es am Wasser entlang, dass ich größtenteils aber nur erahnen konnte, weil es exakt dieselbe Farbe aufwies wie der Himmel und ich absolut nicht die Grenze ausmachen konnte – faszinierend!

Morgenstimmung in Invercargill

Ich bin relativ langsam gelaufen, weil mir ein anderer Hiker (Kamron) berichtete, dass Sarah auf dem Holiday Park neun Kilometer vor Invercargill übernachtet hat…vielleicht würde sie mich ja noch einholen…da sie aber gerne etwas länger schlief, war das irgendwie nicht sehr realistisch…dennoch…ich wollte den letzten Tag so lange wie möglich genießen und habe deswegen an jedem Infoschild angehalten, dass es am Weg gab und auch sonst jede Gelegenheit zur Verzögerung genutzt. Damit war ich auch nicht die einzige…Kamron und seine beiden Begleiter waren ähnlich langsam unterwegs…immer wieder holte ich sie trotz meines langsamen Tempos ein, weil sie schon wieder anhielten…ganz klar was hier vor sich ging…das klassische Spiel „wer zuerst ankommt hat verloren“… wir wollten alle den unvermeidlichen Moment hinauszögern, zu dem alles vorbei sein würde.
Der Weg führte die ersten Kilometer immer am Wasser entlang und war eigentlich ganz schön, wenn es nicht so stark bewölkt gewesen wäre…aber ich war mir absolut sicher, dass sich die dicke, komplette Wolkendecke im Laufe des Tages auflösen und wir bei blauem Himmel ankommen würden…so ähnlich war es dann auch, als nämlich ab zehn Uhr das Straßenstück begann, kam die Sonne das erste Mal heraus und kurz darauf war der Himmel fast wolkenfrei und es wurde nochmal richtig warm. Es ist immer noch erstaunlich, wie schnell sich das Wetter hier ändert…

Da ich ja vorher wusste, dass heute der größte Teil des Weges am State Highway entlangführen würde, störte mich das nicht so sehr, im Gegensatz zu Kamron, der ziemlich genervt war. Es fuhren auch regelmäßig große Trucks, vollbeladen mit Baumstämmen oder anderem Kram an uns vorbei – Bluff hat einen großen Hafen.

Trailromantik kurz vorm Ziel

Mich konnte heute aber nichts mehr aus der Ruhe bringen…wir sind fast 3.000 Kilometer zu Fuß durch die Hölle…äh…die Wildnis Neuseelands gelaufen, da werde ich mich doch durch ein paar vollbeladene Trucks, die anderthalb Meter neben mir vorbeibrausen nicht aus der Ruhe bringen lassen! Nicht heute…ich habe den ganzen Tag zumindest innerlich gelächelt und konnte es immer noch nicht fassen…ich habe es wirklich geschafft! Wenn ich daran denke, unter welch ungünstigen Bedingungen ich los gelaufen bin – ungünstig bezogen auf meine Füße! Ich weiß, dass viele von euch im Stillen dachten, ich bin verrückt, weil ich keine fünf Kilometer ohne Schmerzen laufen konnte und mir trotzdem eine Weitwanderung in den Kopf gesetzt hatte…und natürlich hattet ihr Recht…es war eigentlich total verrückt…aber ich hatte ja einen Plan B, aber den brauchte ich dann nicht mal. Die Einlegesohlen haben meinen Thru-Hike erst möglich gemacht!
So habe ich den ganzen Tag an verschiedenste Situationen aus den letzten fünf Monaten gedacht…wie ich den 300. Kilometer gefeiert habe, weil ich vorher noch nie weiter gelaufen war…wie ich in Aucklamd zum ersten Mal selbst davon überzeugt war, dass ich es bis nach Bluff schaffen kann…und natürlich an die Strecken, die mir immer in Erinnerung bleiben werden, ganz oben auf der Liste Raetea und Pirongia…oh man…aber weiter mit dem Weg, zu meinen Gedanken werde ich noch etwas ausführlicher im Fazit eingehen.

Zehn Kilometer vor dem Ziel habe ich meine letzte Mittagspause gemacht – und genoss den Luxus eines Picknicktisches 🙂

letzte Mittagspause mit Käse, Äpfeln und Cracker

zwischen mir und dem Ziel liegt nur noch der Bluff-Hill

Kurz vorher konnte ich zum ersten Mal Bluff sehen (Bluff bedeutet übrigens Steilklippe, Steilküste auf englisch) – und den Bluff-Hill, über den ich noch rüber musste…das heißt, genaugenommen musste ich nicht. Die Originalstrecke führt eigentlich rechts vor dem Hügel vorbei und hinten an der Küste entlang einmal um den Berg herum bis Stirling Point. Da auf den Weiden aber wildgewordene Bullen stehen, war der Weg gesperrt und es gab die Alternative über den Berg auf die andere Seite zu laufen – oder einfach die Straße weiter zu gehen und praktisch links um den Hügel herumzugehen. Unabhängig davon, dass die Straßenroute deutlich kürzer war, war es natürlich auch eine Frage der Ehre, nochmal auf den mit knapp 300 Metern jetzt auch nicht übertrieben hohen Berg zu stapfen und dann wenigstens die letzten drei Kilometer auf der Originalroute an der Steilküste (!) entlangzulaufen und aus der richtigen Richtung auf Stirling Point zuzugehen.
Die neue Streckenführung hatte immerhin den Vorteil, dass man durch den halben Ort lief und an einem Dairy vorbei kam, wo ich mir eine Doppelkugel Eis gegönnt habe – in den Geschmacksrichtungen, die auch mein erstes Kugeleis auf dem Trail hatte…

Dann bin ich in praller Sonne die Straße zum Gipfel hochgestiefelt. Oben gibt es einen Aussichtsturm, den man über eine spiralförmige Rampe erreicht, war lustig, sich immer weiter im Kreis hochzuschrauben. Es war schon ein anderes Touristenpärchen dort und der Mann meinte fast etwas spöttisch, dass ich ganz schön viel Kraft investieren musste, um hier hoch zu kommen (es gab natürlich einen Parkplatz direkt am Turm und jeder normale Kiwi fuhr mit dem Auto vor) und er machte den Fehler mich zu fragen, wie weit ich denn gelaufen sei. Ich grinste ihn an und meinte: 3.000k! Er sah mich irritiert an und ich wiederholte die Zahl…muss an meinem deutschen Akzent gelegen haben, dass er mich nicht verstand. Deswegen ergänzte ich, dass ich von Cape Reinga komme und dann begriff er langsam und es folgten die üblichen Fragen über die Dauer der Wanderung und die Anzahl der Verrückten, die sowas machen und so weiter.

Stewart Island vom Bluff-Hill

Grinsend verabschiedete ich mich und lief auf der anderen Seite den Berg wieder runter, jetzt auf einem Fußweg, der mal wieder Parkwegqualitäten hatte. Ich erhöhte jetzt auch mein Tempo, weil sich plötzlich wieder eine Wolkendecke gebildet hatte, aber so schnell konnte ich nicht das Ziel erreichen, wie sich der blaue Himmel verabschiedete.
Egal…noch drei Kilometer an der Küste entlang – mit Blick auf Stewart Island und andere Inseln – und dann sah ich ihn…den berühmten gelben Wegweiser. Ironischerweise markiert der Pole, zu dem in dieser Saison ca. 500 Hiker 3.000 km zu Fuß gelaufen sind, den Beginn des State Highway 1, weswegen er auch vom hiesigen Autoclub aufgestellt wurde.

An dem Pole warten schon Kamron und einige andere Hiker – sie sind fast alle die kürzere Strecke über die Straße gelaufen! *tse*

Als sie mich kommen sehen, bejubeln sie mich auf den letzten Metern, rufen, klatschen und machen es mir auf diese Weise unmöglich, nicht in Tränen auszubrechen, als ich um 16:20 Uhr endlich am Ziel bin…jetzt bin ich eine echte Thru-Hikerin und habe mir damit einen Traum erfüllt, der vor ca. vier Jahren begann, nachdem ich im Fernsehen eine Dokumentation über den Appalachian Trail gesehen habe. Und jetzt stehe ich hier und beweise damit – man kann alles schaffen, wenn man es nur wirklich will!

ohne Black Forest hätte ich das nie geschafft 😉

Nachdem ich mich wieder gefasst habe, kommt das große Fotoshooting und dann warte ich auf Sarah. Zwischendurch kommen weitere glückliche Hiker an und irgendwann auch Sarah. Sie freut sich total, dass ich auf sie gewartet habe und wir sitzen alle um den Wegweiser herum, feiern, trinken, essen Süßigkeiten und niemand will hier jemals wieder weg gehen.

Gegen halb sieben mache ich mich dann aber doch auf den Weg in Richtung Hostel, das nicht weit weg ist, einen extra Schlafraum für TA-Hiker hat und abends der Ort ist, wo die Party weitergeht. Heute sind ca. zwanzig Wanderer angekommen und es wird ein langer, entspannter und lustiger Abend – ein schöner Abschluss für das größte Abenteuer meines Lebens.

Damit bleibt eigentlich nur noch, die einzige Frage der gesamten Trailnotes zu beantworten. Im letzten Satz heißt es dort:

Here you are – where next?

Hier bist Du nun also – und wohin geht es als Nächstes?

Das ist einfach 😉 nach ein paar Ruhetagen werde ich wandern gehen *hihi* und zwar auf Stewart Island, der drittgrößten Insel Neuseelands…wenn ich schon mal hier unten bin, bietet sich das an. Ich will den Northwestcircuit laufen und werde in den acht Tagen auch das Fazit zum TA schreiben, versprochen.

Ein Gedanke zu “Invercargill – Bluff Teil 2

  1. Karin und Uwe Hix schreibt:
    Avatar von Karin und Uwe Hix

    Herzlichen Glückwunsch zum Erreichen Deines 1. Zieles. Wir freuen uns mit Dir und
    wünschen Dir auf der 3. Insel Neuseelands auch ganz viel Freude und wenig Regen.

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