21.08.2025, Tag 12, 33,1 km Gesamt: 294,1 km
Die Nacht war im Grunde perfekt – warm, gerader Liegeplatz, unbeobachtet und leise. Dass es immer wieder regnete, störte mich gar nicht und so war es auch nicht so schlimm, dass der Wecker heute schon um fünf Uhr klingelte.
Es standen noch 30 km bis nach Murnau an – mit Erklimmung der Stolzalpe. Und da ich nicht zu spät in der Unterkunft ankommen wollte, stand ich lieber etwas früher auf – und musste zum ersten Mal auf dieser Tour meine Stirnlampe benutzen, weil es noch dunkel war.

Es dämmerte aber schnell und ich lief im Zwielicht des nebligen Morgens los – ein Traum. Ich liebe Nebel.
Die Kühe schauten mich auch noch ganz verschlafen an und einige Rehe sprangen zurück in den Wald, während ich die verbleibenden elf Kilometer bis nach St. Peter am Kammersberg absolvierte.
In Hinter Pölling machte ich eine kurze Verschnaufpause – schön war die Strecke nicht. Elf Kilometer an mehr oder weniger stark befahrenen Straßen entlang, immer im Versuch, irgendwie auf dem Seitenstreifen oder der angrenzenden Wiese zu laufen, damit die Füße nicht sofort weh taten.
St. Peter ist ein verschlafener kleiner Ort zwischen den Bergen, der von einer weißen Wolkenschicht zugedeckt wurde und wiederum Anlass zu einer Pause bot.

Jetzt begann die eigentliche Etappe und der Anstieg zur Stolzalpe auf 1.817m und ich startete ziemlich genau um 09:00 Uhr.
Die knapp 1.000 Höhenmeter mussten auf einer Strecke von 9 km überwunden werden, wobei die ersten 7-8 km eine Forststraße waren, die sich in Serpentinen durch den Wald den Berg hinaufwand.
Das war einerseits super langweilig und ich musste mir einige nette Gedanken machen, um mich zu motivieren, gute zwei Stunden stur die Straße hochzulatschen.

Andererseits war es natürlich relativ bequem und einfach zu laufen und das konnte ich gut gebrauchen, hatte ich ja schon elf Kilometer in den Beinen – und vom Berg runter musste ich ja auch noch irgendwie kommen.
Die Aussicht auf das Apartment, welches ich gebucht hatte, half mir auf jeden Fall. Wenn es dort wirklich eine Waschmaschine gab, dann ersparte ich mir die mühsame Handwäsche und konnte mich ganz auf leckeres Essen konzentrieren. Ich träumte von einem Salat mit Grillhendl…wenn es so etwas gäbe, das wäre famos.
Zwei Stunden später machte ich eine letzte Pause an einer verlassenen Hütte, die nur von zwei Kühen bewacht wurde und dann änderte sich die Wegbeschaffenheit und es ging über Wiesen und Waldwege weiter hinauf.

Es verblieben noch 200 Höhenmeter und ich hoffte, dass der Weg ähnlich gut wie gestern zur Haseneckscharte zu erklimmen war.
Die erste Kuppe, die sich zwischen den Wolken zeigte, war nicht hoch genug, als dass es schon das Ziel sein konnte, ich konzentrierte mich aber trotzdem darauf, diese zu erreichen. Das war machbar und dann konnte ich ja weitersehen.

Auf dem Weg hinauf verlor ich zwar kurz die Markierungen aus den Augen, dafür fand ich ein ganzes Himbeerfeld. Die reifen Beeren hingen nass an den Sträuchern und mussten unbedingt gepflückt werden, bevor sie matschig wurden.

Ich bin immer gerne hilfsbereit und sammelte die süßen Früchtchen fleißig ein.
Danach stapfte ich etwas herum und fand den schmalen Pfad wieder, auf welchem es hinauf ging.
Der weitere Weg war mit Blaubeerbüschen gesäumt, ich hatte aber von den Himbeeren genug und ließ sie für nachfolgende Wanderinnen hängen.

Als ich die erste Bergkuppe erreichte, sah ich im Nebel die zweite emporragen – nachdem ich auf steilen Wurzelpfaden zu dieser gestiegen war, lugte die nächste durch die Wolken.
Auf der Strecke lagen auffällig viele umgestürzte Bäume, der Boden schien hier nicht viel Halt zu bieten. Über einen der gefallenen Riesen wollte ich rüberklettern, kapitulierte dann aber vor dem Querverkehr – bis sich hier eine Lücke auftun würde, wollte ich nicht warten und ging außen rum:
Der Anstieg im dichten Wald zog sich noch eine ganze Weile, bis plötzlich gegen 12:30 Uhr das Gipfelkreuz um die Ecke blitzte.

Freudig bewältigte ich die letzten Meter und stand dann auf der Stolzalpe.
Ich behaupte ja, die Aussicht war auch nicht schlechter als an anderen Tagen, da mensch von dem breiten, weitläufigen Gipfel sowieso nicht weit schauen konnte, sondern nur die umliegenden Bäume sah.


Nun ging es an den Abstieg und das waren auch nochmal neun Kilometer.
Ich hatte bis hierhin sehr viel Glück mit dem Wetter gehabt. Es hatte zwischendurch einmal kurz genieselt, aber ansonsten blieb es trocken – von den diesigen Nebelwolken abgesehen. So könnte es von mir aus gerne bleiben, auch wenn ab Mittags Regen angesagt war.
Der Abstieg war anfangs genauso steil und verlief ebenfalls auf Wurzelpfaden durch Blaubeerbüsche, wie der Anstieg auf der anderen Seite.
Danach kam aber auch auf dieser Bergseite ein Forstweg, deren weitläufige Serpentinen hier aber regelmäßig durch Waldwege abgekürzt wurden.
Da die Wege gut gepflegt waren, freute ich mich über jede „Abkürzung“, auch wenn das nichts an der Gesamtlänge änderte, da es sich ja um den offiziellen Wanderweg handelte.

Ich erreichte den Kurort Stolzalpe, der sich über mehrere Etagen (sprich Serpentinen) am Berg entlangzieht und zahlreiche Gebäude des Landeskrankenhauses und der Kureinrichtungen etc. beherbergt.
Ich merkte jetzt deutlich die Erschöpfung, die sich aufgrund der 25 Kilometer, die ich schon getippelt war, ergab.
Nun fing es auch zu regnen an und ich stapfte mit dem aufgespannten Schirm weiter in Richtung Tal.
Zwischen den ganzen Gebäuden von Stolzalpe verlief ich mich zweimal, kam auf der Rückseite von Krankenhausgebäuden raus und musste an großen „kein Durchgang!“-Schildern vorbeilaufen, um irgendwie wieder auf die offiziellen Straßen zu gelangen.
Ich war noch nicht durch den ganzen Ort durch, als mir bewusst wurde, dass es jetzt immer noch gute vier Kilometer bis nach Murau waren. Und ich war wirklich schon geschafft und bereit für eine heiße Dusche und ein weiches Bettchen…
Murau lag aber noch hunderte Höhenmeter tiefer im Tal und sah so weit entfernt aus, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie mensch dort zu Fuß innerhalb von zwei Stunden ankommen sollte.
Trotzdem trabte ich weiter und ignorierte die großflächige Blase, die sich aufgrund der anhaltenden Feuchtigkeit unter einer Fußsohle gebildet hatte.
Es ging dann auch wieder in den Wald und dort auf steilen, rutschigen Pfaden in Serpentinen immer hinab.

Ich versuchte einen Automatismus zu finden, um einen Fuß vor den anderen zu setzen, meine Akkus waren wirklich leer und ich wollte einfach nur noch ankommen.
Dann fand ich den Weg nicht…es sollte genau hier rechts rein in den Wald gehen. Da war aber nur undurchdringliches Gestrüpp und es ging super steil nach unten. Keine Chance, dass es hier einen Weg gab.
Ich starrte die App lange an, drehte das Handy, ging drei Schritte vor und drei zurück – aber der Weg tauchte nicht auf.
Also weiter den Forstweg entlang, aber es kam nur eine ebenso steile Weide und dann wieder steiler Abhang.

Und laut Karte machte die Straße einen riiiiesigen Bogen von mehreren Kilometern, bevor sie wieder in die andere Richtung und damit in Richtung Murau führte. Da kann ich doch jetzt nicht wirklich lang müssen!
Menno…ich war ernsthaft deprimiert und kurz davor, den Abhang hoch zur Landstraße zu klettern und meinen Daumen rauszuhalten. Ich hatte echt die Schnauze voll.
Jetzt kam auch noch die Sonne raus und brannte sich mir ins Gesicht…geh weg!
Es half nichts, ich schleppte mich die Forststraße wieder hoch und hatte zwischenzeitlich Apple Maps eingeschaltet, um dort die Wegführung von Komoot abzusichern. Auch auf Maps gab es einen Weg durch den Wald nach unten – der lag aber ein Stück weiter vorne, als auf Komoot. Und ca. 40 Meter vor der Stelle, die Komoot anzeigte, ging auch tatsächlich ein kleiner, feiner Weg in den Wald hinein. Hallelujah…sollte ich heute doch noch ankommen? Das wäre ja ein Traum.
Es wurde aber ein Alptraum…
Nach ca. einem Drittel der Strecke, die durch den Wald ins Tal führte, stand ich vor folgendem Schild:

Ist ja klar…seit gestern ist der Wanderweg gesperrt. Und ich sah und hörte die schweren Fahrzeuge auch, die fleißig Bäume fällten und zersägten. An ein Weitergehen war also nicht zu denken.
Ein Blick auf die Karte bestätigte, was ich schon vorher wusste. Auch diese Forststraße führte erst in einem riesigen Bogen in die falsche Richtung, bevor es auf der Landstraße wieder in Richtung Murau ging.
Ich war wirklich am Ende und konnte mich nicht mal mehr aufregen.
Also ging ich weiter, es regnete, meine Fußsohle brannte schon die ganze Zeit. Ich dachte ja, die letzten Kilometer ziehe ich das noch schnell durch, aber mittlerweile bereute ich, kein Pflaster raufgemacht zu haben. Wobei das auf der nassen, durchweichten Haut auch nicht gehalten hätte.
Der Umweg belief sich auf stolze anderthalb Kilometer und führte zur Hälfte auf einer schmalen Landstraße entlang, die wirklich nicht fürs Fußvolk konzipiert war.

Ich überlebte aber auch das und humpelte gegen 16:00 Uhr in Murau ein. Was für ein Glück, dass ich heute eine Stunde früher aufgestanden war. Auch wenn ich die Zeit eigentlich anders hätte nutzen wollen.
Ich plünderte den nächsten Supermarkt und musste dann noch durch die ganze (sehr schöne) Stadt, um zu meiner Unterkunft zu gelangen.


Dort eingetroffen machte ich den Fehler, sofort die Schuhe und Socken auszuziehen – und dann erst festzustellen, dass es kein Duschbad und kein Waschmittel für die Waschmaschine gab.
Also musste ich nochmal los.
Meine Fußsohlen brannten, aber meine Füße versagten nicht ihren Dienst, wofür ich ihnen sehr dankbar war.
Wieder zurück, ging’s erstmal unter die Dusche, während in der Waschmaschine meine Klamotten langsam wieder sauber wurden.
Das nasse Zelt konnte ich im Garten unter einem Vordach aufhängen und einen großen Salat habe ich mir auch noch gezaubert. Grillhendl gab’s leider nicht, aber das war mir nach diesem Tag auch nicht mehr so wichtig. Ich war froh, angekommen zu sein und hoffte, dass ich nicht von tropfnassen Kühen, die mich steile Bergabhänge runterschubsen, träumen würde.











