08.08.2022, Tag 14, 31,5 km, Gesamtdistanz 347,5 km
Der Ruhetag gestern hat mir richtig gut getan. Ich habe fast den ganzen Tag im Bett gelegen, dieses Blog aktualisiert, dem Regen beim Fallen zugesehen, den Mähroboter beobachtet, wie er sich über das Fallobst quält und ansonsten fast nichts getan. Mittags war ich nur zum Essen im einzigen Gasthof des Ortes, dem Freiensteinerhof. Herrlich fauler Tag. Und dringend nötig, ich war doch ganz schön kaputt.

Heute geht es aber weiter und da ich ausgeschlafen bin, klingelt der Wecker schon um 5:00 Uhr, damit ich noch was vom Tag habe.
Ich bin keine hundert Meter gelaufen, da hält das erste Auto auch schon an und ein netter Mann nimmt mich die zwei Kilometer bis zum Trailhead mit. Dann kann’s ja losgehen.
Es geht sofort den Berg hinauf, ich merke aber schnell, dass ich heute voller Energie bin und mir die Anstiege nichts anhaben können. Also anstrengend ist es natürlich, aber ich bin nicht so kaputt wie auf den letzten Etappen und muss nicht schwer atmend stehen bleiben.
Mit Start meiner heutigen Wanderung hat es angefangen zu regnen und durch die zahlreichen Pflanzen, die den Weg säumen und überspannen, ist meine Hose nach kürzester Zeit pitschnass und mit Pollen und Blüten beklebt – hat sich das Waschen ja richtig gelohnt…
Ich lasse mir meine gute Laune aber nicht nehmen und wandere entspannt bis nach Leoben.
Leoben ist die zweitgrößte Stadt der Steiermark und bekannt für die Montan-Universität und das Stahlwerk, welches die in der Umgebung zahlreich vorkommenden Eisenerze verarbeitet.
Da ich mal wieder einen falschen Weg genommen habe, komme ich an einer anderen Stelle in die Stadt und kann das mächtige Stahlwerk bewundern, welches länger als manche kleine Ortschaft ist und einen kontinuierlichen und lauten Lärmteppich ausstößt. Also hier zu wohnen kann kein Vergnügen sein.

Die Altstadt von Leoben ist aber typisch schön, auch wenn der Charme der stark verzierten Häuser jetzt bei dem trüben Wetter nicht ganz so hervorsticht.






Ich schlendere ein wenig durch die Gassen und esse zwei gekochte Eier als Stärkung für den nächsten Abschnitt. Es geht jetzt nämlich bergauf zur Mugelschutzhütte auf 1.630 m.
Regnen tut es nicht mehr, der Weg auf dem ersten steilen Stück ist aber wieder so zugewachsen und reichhaltig mit Brennnesseln bestückt, dass ich nicht nur den gesamten Tag über nasse Schuhe und Füße habe, sondern immer wieder auch ein nettes Brizzeln an den Beinen abbekomme.
Da es mir aber weiterhin gut geht und ich die steilen Anstiege in gewohnter Weise meistern kann, sind mir die widrigen Begleitumstände fast egal. Tapfer stapfe ich immer weiter nach oben und freue mich auf das Essen im Mugelschutzhaus, welches ich mir gönnen werde.
Außerdem ist es eine wundervolle Stimmung. Die Wolken hängen tief in den Baumspitzen über den Tälern und ich kann den ganzen Tag auf sie hinaufsehen. Laut- und schwerelos ziehen die weißen Schwaden durch die Äste und über den Weg direkt vor mir. Ich treffe heute den gesamten Tag über keine anderen Wanderer.

Ich komme am „Spitz Christi“ vorbei, einem mächtigen Steinblock mit der Inschrift :“Bergauf, bergab, steigen, fallen – Menschenschicksal“ und an der Schmollhube, einem Gasthof, der aber nur am Wochenende auf hat.
Das letzte steile Stück bis zum Schutzhaus ist mit reichlich Himbeersträuchern garniert. Ich kann teilweise direkt im Laufen die Hand ausstrecken und die großen, reifen, süßen Beeren abpflücken – einfach lecker und eine schöne Vorspeise. 🙂
Gegen 14:00 Uhr entdecke ich im Nebel das Mugelschutzhaus und steuere zielsicher auf die Eingangstür zu. Es scheint nicht viel los zu sein, ist bei dem Wetter aber auch nicht zu erwarten gewesen.

Ich drücke die Klinke – und knalle gegen die verschlossene Tür. Was denn hier los? Zu?!?
Ganz groß steht überall, dass Dienstag Ruhetag ist – heute ist aber Montag! Das heißt, die Hütte müsste auf haben. Hatte gestern auch extra nochmal auf der Homepage geguckt, kein Hinweis darauf, dass sie nicht geöffnet haben würde…aber das ändert nichts daran, dass alles verrammelt und verlassen ist und ich hier heute nichts Warmes zu essen bekomme. 😦
Das klappt ja schon mal gut mit meiner neuen Versorgungsstrategie.
Immerhin habe ich Zusatzproviant mit, den ich eigentlich morgen essen wollte, der dann aber jetzt schon herhalten muss – und der ist mindestens so lecker, wie die „Kaspreßknoedel mit Kraut und Bratensauce“, die ich mir von der Karte ausgesucht hätte.
Der Schutzraum ist zumindest offen und gut geheizt und ich verschnabuliere zwei gekochte Eier und einen halben Emmentaler – mjam, super lecker. Das Essen erinnert mich an Neuseeland, da habe ich das sehr gerne auf dem Trail gegessen. 🙂


Das Thermometer am Schutzhaus zeigt 17°C – ich empfinde es als noch kühler, insbesondere nachdem ich aus dem warmen Schutzraum komme, aber durch das Weiterwandern wird mir auch schnell wieder wärmer.
Es geht jetzt zunächst bergab bis zum Trasattel und dann wieder hinauf zur Hochalm.
War der Weg zur Mugel die Himbeerroute, ist das jetzt der Heidelbeerpfad…ein Meer aus Heidelbeerbüschen bedeckt den ganzen Waldboden und auch hier kann ich fast im Gehen die kleinen blauen Kugeln abzupfen und vernaschen. Ich nehme mir aber natürlich immer wieder die Zeit, bleibe stehen und pflücke mir einige Portionen.
Ab der Hochalm geht es wieder hinab und ich suche nur noch ein geeignetes Plätzchen für die Nacht. Trocken soll es eigentlich bleiben, aber kalt wird es werden, so dass ich an einer tiefergelegenen und möglichst windgeschützten Stelle interessiert bin.
Als ich schon in der Nähe des „Almwirt“ bin, einem Forsthaus, und ich eigentlich am Straßenrand gerade „meinen“ Zeltplatz erkundet habe, kommen mir doch noch Menschen entgegen. Ein Förster sowie zwei Erwachsene und ein Kind – alle vier in kompletter Förster- bzw. Jägertracht samt Federhut, Gewehren und sonstigem Zubehör ausgestattet…wenn wir nicht in der Nähe des Forsthauses gewesen wären, hätte ich gedacht, die gehen zum Fasching. 🙂
Jedenfalls muss ich dann doch noch etwas weitergehen – möchte auch nicht, dass die mich für ein Rebhuhn halten, oder was auch immer die heute hier noch erbeuten wollen – und finde dann aber ein schönes Plätzchen auf einer Wiese kurz hinter dem Almwirt.
Morgen soll es trocken und angenehm warm werden, das wäre für die Gipfeltour, die ansteht, auch sehr passend. Bitte Daumen drücken.
Nachtrag: ich habe mich gerade in meinen Quilt gekuschelt und die Augen zu gemacht, als ein Auto unten am Weg hält, Menschen aussteigen und ich Schritte höre…sie kommen auf mich zu, Mist.
Es ist die Karnevalstruppe und der Förster bzw. Oberjäger klopft grob an mein Zelt und meint: „Zelten verboten! Abbauen!“
Na toll…ich probiere gar nicht erst zu diskutieren, sage okay und rapple mich langsam auf.
Ich ziehe mich wieder um, packe meinen gesamten Kram zusammen, der weitläufig im Zelt verteilt war und baue alles wieder ab.
Ziemlich genau zum offiziellen Sonnenuntergang schultere ich den Rucksack, die Jägerstruppe, welche in der Zwischenzeit aus einem Unterstand mit Vogeltröten rumposaunt hat, geht zurück zum Auto und verzieht sich.
Ich könnte jetzt wahrscheinlich mein Zelt genau hier wieder aufbauen, weil ich bezweifle, dass die nochmal wiederkommen, aber das ist mir auch zu blöd.
Also gehe ich ein paar Meter und finde ein wunderschönes Plätzchen mitten im Wald an einer Winterfutterstation. Hier ist es sogar noch windgeschützter als unten. Eine Stunde nach der Störung liege ich wieder im Quilt und kann ungestört schlafen.











