Seewiesen – Sonnschienalm

04.08.2022, Tag 11, 23 km, Gesamtdistanz 273 km

Was für ein Tag…1.500 Höhenmeter nur hinauf ging es heute für mich und der größte Teil davon am Stück gleich vormittags.

Aber zunächst ging es ganz beschaulich mit dem Durchschreiten des Seetals los. Das Tal liegt zwischen dem Hochschwabgebirge und ist mit grünen Wiesen, schattigen Bäumen und duftenden Blumen bewachsen.

Obwohl es auch hier schon leicht bergan geht, ist es eine wunderschöne Strecke und ich esse währenddessen sicherheitshalber eine doppelte Frühstücksportion, um für den Tag gewappnet zu sein.

Dann wird es steiler und geht hoch hinauf. Zunächst weiter durch schattigen Bewuchs, irgendwann lichtet sich die Szenerie und es geht in der schon wärmenden Sonne über Stock und Stein (mehr Stein als Stock).

Auf dem Weg zur Voisthaler Hütte, meinem ersten Zwischenstopp, muss ich 600 Höhenmeter überwinden und komme natürlich super ins Schwitzen. Ich mache mehrmals Pause, versuche aber, die wundervolle Gegend trotzdem zu genießen. Es sieht jetzt schon fantastisch aus.

Die Hütte selbst liegt nochmal auf einer kleinen Anhöhe, so dass der Zuweg dorthin nochmal richtig steil ist, aber gegen 10:00 Uhr ist es geschafft und ich habe das erste Ziel erreicht.

Die Auswahl an Getränken überfordert mich etwas, es gibt Soda, Himbeer/Holler mit Soda, Himbeer/Holler ohne Soda und diverse andere Limo-Varianten. In meiner Freude über den Erfolg bestelle ich eine große Hollunderlimo, was eigentlich zu viel ist…aber gut, vielleicht hilft der Zucker ja beim nächsten Anstieg. Schmecken tut es jedenfalls.

Frisch gestärkt geht es weiter. Auch jetzt erstmal relativ human über Bergwiesen mit wunderschönen Rundumsichten und moderater Steigung.

Aber dann müssen wir ja mal hoch und das auch ganz gewaltig. Wobei die steinigen Serpentinen relativ gut zu laufen sind. Trotzdem bin ich immer die letzte und langsamste und muss ständig Pausen machen.

Auf dem Weg nach oben wird mir dann irgendwann bewusst, wo zumindest ein Teil meiner Probleme herkommt. Warum ich den Rucksack seit Tagen als unglaublich schwer empfinde und am Liebsten bei jeder Gelegenheit sofort abwerfen wollen würde – ich habe Rückenschmerzen 😦

Die resultieren noch von meiner Wanderung in Neuseeland, wo ich mir irgendwas eingeklemmt/verdreht habe…und seitdem nie richtig losgeworden bin. Jetzt also wieder und die Schmerzen behindern mich ernsthaft bei den harten Anstiegen.

Zwischenstopp kurz vor dem Schiestlhaus

Ich kämpfe mich weiter hinauf – die Aussichten sind fantastisch! – und eine Stunde später fällt mir ein, dass ich ja Schmerztabletten mithabe. Ursprünglich für meine Füße gedacht, die allerdings überhaupt keine Probleme mehr machen! (gute orthopädische Einlagen sei Dank!)

Also nutze ich eine letzte Pause kurz vor dem Schiestlhaus, um eine Tablette zu nehmen und ich hoffe inständig, dass sie auch wirkt.

Das Schiestlhaus sieht fast wie geschlossen und im Bau aus, weil so viel Material rumliegt, aber es hat offen und ich kann Wasser auffüllen.

Nach einer nur kurzen Pause – Blubberwasser hatte ich ja schon genug getrunken – geht es zum finalen Aufstieg für heute. Auf den 2.277 m hohen Hochschwabgipfel.

Rechts Schiestlhaus, links Hochschwabgipfel

Es ist ein relativ kurzer, aber knackiger Aufstieg und ich versuche jede Serpentine mitzunehmen. Die Tablette wirkt wenn überhaupt nur sehr zaghaft und als ich zwischendurch anhalte, um meinen Rücken zu lockern wird mir schon Traubenzucker angeboten, so fertig sehe ich aus.

Es ist ja auch nicht der Rücken alleine…um mich herum wandern Männer und Frauen im Rentenalter problemlos und fast ohne aus der Puste zu kommen die Berge hinauf – nur ich schnaufe wie eine gutbeheizte Dampfmaschine. Ich habe einfach keinerlei Kondition mehr. Ist auch kein Wunder, mache ich doch seit einem Jahr keinen Sport mehr und liege nur noch faul auf der Couch rum. Das muss sich unbedingt wieder ändern! So kann es jedenfalls nicht weitergehen.

Irgendwann komme dann aber auch ich auf dem Gipfel an und kann den fantastischen 360 Grad Blick auf das Bergpanorama genießen.

Hochschwabgipfel, 2.277 m

Damit habe ich den höchsten Punkt des Nord-Süd-Wegs erklommen, was nicht heißt, dass das der letzte hohe Gipfel auf der Route war.

Auf dem Gipfel treffe ich einen jungen Mann, der unglaubliche Mengen Essen in sich hineinschaufelt. Erst eine Konserve, die ich nicht erkennen kann, dann eine Dose Fruchtcocktail, dann eine halbe Packung Sandwichtoast mit Erdnussbutter. Er hat aber auch einen riesigen, schweren Rucksack hier hoch geschleppt.

Das wird alles aufgegessen!

Anhand der Essenswahl hätte ich es mir vielleicht schon denken können (wer ist Fruchtcocktail aus der Dose?!?) – er kommt aus England. Und ist den ganzen Weg hierher gelaufen. Mal auf dem E4, dann E6. Er ist schon zwei Monate unterwegs und will in ca. zwei Wochen sein Ziel – Kroatien – erreichen.

Heute kam er allerdings aus der anderen Richtung auf den Hochschwab und läuft jetzt dort runter, wo ich hochgekommen bin.

Für mich geht es jetzt nur noch bergab, allerdings noch eine ganze Strecke und es ist schon relativ spät geworden. Ich wollte eigentlich mindestens bis zur Sonnschienhütte, wenn nicht sogar noch weiter wandern, um die morgige Etappe zu verkürzen, aber jetzt muss ich froh sein, wenn ich es bis zur Häuslalm schaffe, die noch dreieinhalb km davor kommt.

Zu Beginn der Strecke bin ich noch ziemlich geschafft und die pralle Sonne tut ihren Teil, damit es nicht zu einfach wird, aber im Laufe des Nachmittags erhole ich mich und komme irgendwann sogar in meinen gewohnten Wanderrhythmus, in welchem ich fast ewig laufen könnte.

Der Weg führt jetzt über die Bergkämme durch bunte Bergwiesen, über steinige Geröllhalden und an Altsschneefeldern vorbei – immer mit einer wunderschönen Aussicht auf die Berge.

Es ist fantastisch. Vor mir läuft ein älterer Mann, der relativ hektisch und schnell unterwegs ist und laut mit seinen Stöcken klappert. Immer wenn wir uns begegnen, fängt er sofort an zu erzählen und so weiß ich, dass er bis zur Häuslealm will und von dort ins Tal absteigen muss, aber auf eine Mitfahrgelegenheit hofft. Er knickt immer wieder um oder rutscht aus, weil er so schnell geht und teilt mir dann auch noch mit, dass er mehrere Miniskusoperationen hatte und sein Knie nicht mehr komplett belastbar ist.

Ab dem Zeitpunkt gehe ich konsequent hinter ihm, falls er es doch übertreibt und komplett wegrutscht.

Die Strecke zieht sich am Ende doch nochmal und wir brauchen zweieinhalb Stunden bis zur Häuslealm. Es ist jetzt 16:30 Uhr – für mich schon fast Zeit, nach einem schönen Zeltplatz zu suchen. Normalerweise mache ich gegen 17:00 Uhr Schluss, damit ich dann noch genug Zeit für die Abendroutine im Zelt habe.

Laut Wegweiser sind es bis zur Sonnschienalm nur 45 Minuten, was mich positiv überrascht. Ist ja gar nicht so weit…

Vorher erkundige ich mich bei dem Wanderkollegen aber noch, ob er eine Mitfahrgelegenheit gefunden hat. Leider nicht, da der Fahrweg in eine andere Richtung führt. So muss er nochmal anderthalb Stunden laufen. Dafür habe ich ihn mit meiner Frage aber angepiekst und jetzt hört er nicht mehr auf zu erzählen. Ich stehe in der Sonne an seinem Tisch und will eigentlich weiter, erfahre aber seine Tages- und Urlaubsplanung für die nächsten zwei Wochen – komplett mit Familiengeschichte und allem was man so von einem Fremden, den man nie wiedersehen wird, wissen muss. Aber im Grunde ist er sehr nett und ich hoffe aufrichtig, dass er gut zu seinem Auto kommt.

Ich versuche höflich zu nicken und keine weiteren Stichwörter zu liefern, was egal ist, da er keins mehr braucht, um von einem Thema zum nächsten zu springen. Nach mehreren Minuten schaffe ich es dann doch, mich zu verabschieden und kann los.

Die Strecke führt am Sackwiesensee vorbei und ich hatte die Hoffnung, dort zelten zu können, aber unzählige Schilder machen darauf aufmerksam, dass es sich hier um ein Naturschutzgebiet handelt und zelten verboten ist.

Also weiter…der Weg steigt dann tatsächlich nochmal an und führt durch knorpelige Waldwege, wo ich nirgends zelten könnte. Ich bin auch schon eine Stunde unterwegs und die Hütte ist immer noch ein Stück entfernt. Durch das Suchen nach einem geeigneten Platz verliere ich natürlich auch immer wieder Zeit.

Es ist schon kurz nach 18:00 Uhr, als ich in meiner Verzweiflung einfach ein Stück Wiese direkt neben dem Weg auswähle. Kann ich jetzt auch nicht ändern, aber ich will nicht mehr weiter und die später noch vorbeikommenden Wanderer reagieren amüsiert bis neidisch auf mein Zelt.

Ich bin jedenfalls froh, dass ich das heute geschafft habe. Wobei morgen nochmal eine schwere Etappe kommt, da der Anstieg dann erst nachmittags erfolgt…aber am Samstag werde ich dann in einer Unterkunft einkehren und mich etwas erholen können.

Blick vom Hochwabgipfel

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