Schliersee – Nußdorf am Inn

31.08.2021, Tag 7, 32 km, Gesamtdistanz 162 km

Obwohl ich extra auf Moosboden gezeltet habe, ist schon wieder Wasser durch den Boden gedrückt. Die nasse Isomatte war dadurch richtig kalt und ich habe wieder gefroren.

Ich muss heute im strömenden Regen das Zelt abbauen, aber da sowieso vieles nass oder feucht ist, ist das auch fast egal.

Es sind noch neun Kilometer bis nach Fischbachau. Und auch diese Strecke scheint Teil eines Qualitätswanderweges zu sein, es ist nämlich feinster, breiter Schotterweg. Unter normalen Umständen ziemlich langweilig, aber bei diesem Regen bin ich sehr dankbar dafür, dass ich keine Schlammpisten hochstolpern muss.

Die am Wege liegenden Gipfel werden alle umrundet und so ist es ein relativ einfacher Abschnitt und ich erreiche kurz nach neun Uhr Fischbachau.

Dieser Ort ist mir aus zwei Gründen wichtig. Erstens habe ich ein Paket mit wärmeren Sachen und einer neuen Isomatte hierhin schicken lassen. Und zweitens haben hier vor 18 Jahren die Ärzte ein Konzert gegeben und ich war dabei. In der Wolfseehalle, die leider zwei km außerhalb meines Weges liegt, sonst hätte ich sie nochmal besucht. Wir haben uns damals köstlich über die Geweihe und Trachten amüsiert, die an und in der Halle hingen.

Aber heute ist mir das Paket wichtiger. Ich steuere sofort den Hermes Paketshop an, seines Zeichens der örtliche Getränkemarkt und erkundige mich, wann Hermes denn immer so vorbei kommt. Laut Sensungsverfolgung soll die Zustellung erst heute Nachmittag zwischen 13:30 und 17:00 Uhr erfolgen, was für mich eine lange Wartezeit bedeuten würde.

Der Händler meint aber, dass Hermes immer zwischen zehn und elf bei ihm ist. Das klingt wunderbar, dann kann ich bis dahin evt. irgendwo meine Ausrüstung trocknen und dann heute noch ein ganzes Stück weiterwandern.

Also suche ich die nahegelegene Touristeninfo an und hier gibt es eine kleine Bücherei bzw. Leseraum, in welchem ich ganz alleine bin und alles habe, was ich jetzt brauche: Heizung, Platz, Steckdose.

gemütlicher, warmer Leseraum in Fischbachau

Ich breite meine Ausrüstung aus und schreibe Postkarten. Jetzt brauche ich nur noch einen neuen Müllsack als Liner für meinen Rucksack. Und auch hier habe ich Glück.

Direkt vor dem Gebäude steht eine große Mülltonne, die vollgestopft mit schwarzen Müllsäcken ist. Genau so einen bräuchte ich, denke ich mir, und zuppel an einem in der Ecke herum – und habe ihn in der Hand, weil er leer ist und zusammengeknüllt mit weggeworfen wurde. Er stellt sich dann zwar als schon löchrig heraus, aber ich tausche ihn einfach gegen den auf der Damentoilette aus. Das sind nämlich genau die Mülltüten, die für die Papierhandtücher benutzt werden.

Und so habe ich einen nigelnagelneuen Liner – wie viel Glück kann man haben? The Trail provides, aber echt.

Als ich mit meinen Angelegenheiten fertig und Isomatte, Innenzelt und Schlafsack wieder trocken sind, ist es kurz nach elf Uhr und ich hole das Paket ab, welches zwischenzeitlich eingetroffen ist.

Ich war ja ursprünglich davon ausgegangen, dass ich im Sommer wandern gehen würde. Habe dabei aber offensichtlich sowohl den Sommer 2021 als auch die Temperaturen in den Bergen überschätzt und nicht mit Tagestemperaturen von maximal 12° und Nachttemperaturen zwischen 6 und 9°C gerechnet.

Zusätzlich ist meine Isomatte seit dem ersten Tag undicht, was bedeutet, ich schlafe seit zwei Wochen mehr oder weniger direkt auf dem Boden.

Also habe ich meine Heimatbasis aktiviert und mein Papa war so lieb, meine Sachen zusammenzusuchen und mir zu schicken. So habe ich jetzt neben einer neuen Isomatte auch lange Thermounterwäsche für die Nacht und einen Fleecepullover für die Abstiege zur Verfügung.

Care-Paket

Danke Papa, Du bist wirklich meine Rettung gewesen. 🙂

Nachdem ich alles im Rucksack verstaut bekommen habe, mache ich mich gutgelaunt an die nächste Etappe.

Es geht in Richtung Wendelstein. Zum Glück nicht hinauf auf den 1.838 Meter hohen Gipfel, sondern nur auf nahegelegene Almen und in respektvollem Abstand am Gipfel vorbei.

Bei dem Wetter (ich muss nicht mehr erwähnen, dass es den ganzen Tag geregnet hat, oder?) hätte ich jetzt auch keine Lust auf so einen massiven Aufstieg gehabt.

Als ich schon auf dem Weg in Richtung Tal und nach Brannenburg bin und der Regen tatsächlich aufgehört hat, entdecke ich ganz oben im Berg plötzlich…einen Zug!

Die Wendelstein-Bahn ist die älteste Bergbahn Deutschlands und wurde zwischen 1910 und 1912 unter Verwendung jeder Menge Dynamits gebaut. Sie ist auch im Winter einsatzbereit und führt über diverse Tunnel und Trassen bis hinauf zum Wendelstein. Faszinierend, wie sich der Zug den steilen Berg hinaufschleppt.

Ich wandere aber weiter abwärts und als ich gegen 16:00 Uhr vor den ersten Häusern der Vororte von Brannenburg stehe und es jetzt nachhaltig aufgehört hat zu regnen, entscheide ich mich, doch noch durchzulaufen und nicht hier schon Halt zu machen.

Das bedeutet, dass ich noch weitere acht Kilometer vor mir habe, da sich an Brannenburg auf der anderen Seite des Inn direkt Nußdorf anschließt, und ich erst dahinter wieder zelten kann.

Auf einer öffentlichen Wiese stehen ein Apfel-, ein Birnen- und zwei Pflaumenbäume. Letztere über und über mit reifen Früchten behangen. Nach dem tagelangen Regen sind einige schon aufgeplatzt, die schmecken aber am Besten.

Ich stopfe mir meine Hosentaschen voll, was bei den Cargohosen bedeutet, dass ich gut ein Kilo Pflaumen pflücke 🙂 dazu hole ich mir noch eine Schrippe (äh, Dinkelweckerli natürlich) beim Bäcker und habe damit ein leckeres Abendbrot, welches ich auf dem langen Weg nach Nußdorf verspeise.

Es geht leider die ganze Zeit direkt auf der Hauptstraße entlang. Erst über die Autobahn und dann über den Inn, der alarmierend viel Wasser führt! Noch ein paar Zentimeter und er tritt über das Ufer…gut, dass es die nächsten Tage nicht regnen soll.

In Nußdorf wird die Strecke wieder schöner. Der Mühlenweg führt am Steinbach entlang und dann direkt in den Wald hinein.

Hinter dem Ort suche ich mir im Wald ein schönes Plätzchen und baue mein Tarp auf. Die neue Isomatte – die Neo-Air von Therm-a-Rest – ist zum einen viel länger als meine prolite short, die ich vorher hatte und natürlich deutlich weicher, weil sie nicht undicht ist. Ich fühle mich auf den vier Zentimetern Matte wie auf einem Wasserbett und werde heute sicherlich wunderbar schlafen.

Und auf morgen freue ich mich auch schon richtig. Morgen ist der Tag gekommen, ich bin mir ganz sicher! Ich werde die Sonne wiedersehen 🙂 ab Mittags soll sie sich zeigen und dann für volle zwei Tage das Wetter bestimmen, bevor der Regen ab Samstag/Sonntag wiederkommt. Donnerstag könnten es 20°C und etwas mehr werden! Was für tolle Aussichten.

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