28.08.2021, Tag 4, 23 km, Gesamtdistanz 84 km
Erst als ich meinen Lagerplatz verlasse und wieder auf dem Weg bin, stelle ich fest, dass es schon wieder regnet. Und vielleicht doch die ganze Nacht geregnet hat. Ich hatte mein Tarp unter so dichten Bäumen aufgestellt, dass es nur ab und zu getröpfelt hat, ich aber im großen und ganzen in einer trockenen Phase einpacken konnte.
Die Nacht war ganz schön kalt gewesen. Trotz Wind- und Daunenjacke habe ich gefroren und mich zwischendurch mit Liegestützen aufwärmen müssen.
Ich weiß nicht, ob das hier unten in Bayern normal ist, aber die Wetteraussichten werden einfach nicht besser. Regen, Regen und Regen…die ganzen nächsten Tage und Nächte. Das Ganze bei nicht viel mehr als 10, 11°C – Tageshöchsttemperaturen! So hatte ich mir meinen Sommerurlaub nicht vorgestellt, und deswegen auch nicht unbedingt passende Sachen mit.
Wie auch immer, jetzt wo ich in Bewegung bin und den Schirm dabei habe, wird mir wieder etwas wärmer und ich wandere frohen Mutes in Richtung Heimgarten, einem 1.791 Meter hohen Berg.
Der Weg ist ganz angenehm, entweder Schotter oder gut gepflegter Pfad durch den Wald. Was mir zwischenzeitlich allerdings auffällt, sind die Unterschiede in der Vegetation zwischen Weideflächen und naturbelassenem Wald. Wenn der Wald von Kühen oder Schafen beweidet wird, wächst nur noch Gras und vielleicht ein, zwei Blühpflanzensorten. Wenn es jedoch naturbelassene Flächen sind, explodieren die Farben der Blüten unterschiedlichster Arten und der Boden ist mit üppigem, abwechslungsreichem Bewuchs überdeckt.
Was mir besser gefällt, ist wahrscheinlich nicht schwer zu erraten.

Um acht Uhr komme ich auf dem Gipfel des Heimgarten an und es liegt natürlich alles im Nebel, nichts zu sehen in keine Richtung.

Da es hier oben dann doch wieder unangenehm kalt ist und jetzt auch noch ein eisiger Wind dazukommt, mache ich mich schnell auf den weiteren Weg.
Es geht jetzt leider auf einem Kammweg bis zum Herzogstand (1.731 m). Das bedeutet, ausgesetzte Wegstücke ohne Windschutz und voll im Regen.
Der Regen selbst ist gar nicht so das Problem. Mit meinem Schirm bin ich sehr zufrieden, er hält meinen Kopf und Oberkörper trocken. Aber der Wind macht mir arg zu schaffen, da er eisig ist und mich sofort auskühlt.
Insofern preise ich jeden Abschnitt, in welchem es keinen Wind gibt und versuche einfach voranzukommen.
Diverse kleinere Gipfel liegen auf dem Weg und jedes Mal bin ich froh, wenn ich wieder etwas weiter unten laufen kann.
Es folgen diverse Seilpassagen, wobei ich überrascht feststelle, dass die bei Regen auch nicht schwieriger sind als bei trockenem Wetter und ich sogar sehr gut einhändig durchkomme, damit ich den Schirm noch halten kann.
Irgendwann bin ich aber trotzdem von oben bis unten nass und komplett durchgefroren. Ich will einfach nur noch ankommen. Aber wo? Ich sehe manchmal für ein paar Sekunden, wenn die Wolken sich kurz aufteilen, ein Gipfelkreuz auf dem letzten Gipfel in der Reihe. Das muss der Herzogstand sein. Und auf dem Gipfel davor entdecke ich eine kleine Hütte. Da will ich hin! Ich muss mich unbedingt unterstellen und wieder etwas warm werden.

Auch wenn die Wolken die Hütte sofort wieder im weißen Nichts verschwinden lassen, ich kenne jetzt mein Ziel und stapfe gegen den Wind gelehnt weiter.
Und anderthalb Stunden später, um halb zehn Uhr erreiche ich endlich die Hütte und kann mich drinnen zumindest vor dem Regen schützen (der in diesem Moment natürlich erstmal aufhört). Kalt ist mir weiterhin und ich schätze die Temperatur auf nicht mehr als 3-4°C.
Ich hatte schon auf dem Weg hier herauf meine Windjacke an, um nicht komplett auszukühlen. Dadurch habe ich jetzt aber nichts mehr, was ich nach der Anstrengung noch drüber ziehen könnte, um mich beim Abstieg zu wärmen. Die Daunenjacke, die ich noch mithabe, muss ich unbedingt trocken halten, da ich die Nachts benötige. Normalerweise reicht das Merinoshirt locker für den Aufstieg und runter wärmt dann die Windjacke…
Heute bin ich wirklich komplett alleine unterwegs. Ich habe noch keine Menschenseele getroffen, was bei diesem Wetter auch kein Wunder ist und ich bin froh, dass nicht noch mehr Menschen diese Tortour durchmachen müssen.
Etwas später stelle ich dann fest, dass ich auch schon am Ziel bin. Die Hütte steht auf dem Herzogstand. Das andere Gipfelkreuz gehört zum Martinskopf, der aber nicht direkt auf dem Weg liegt.
Der Rundumblick, der für ein paar Sekunden möglich ist, gibt die Sicht auf den Kochelsee und die umliegenden Ortschaften frei. Ich muss daran denken, dass es jetzt Samstag kurz vor zehn Uhr ist und viele noch in ihren warmen Bettchen liegen und ausschlafen werden. *seufz*

Vom Gipfel kann ich auch die Herzogstandhütte sehen, die etwas weiter unten windgeschützt zwischen den Bergen steht. Nach einer kurzen Erholungspause mache ich mich über angenehme Serpentinen auf den Weg dorthin. Ich laufe wieder in das weiße Nichts, die Hütte und die umliegenden Berge und Wege sind alle wieder in dichten Wolken verschwunden.
Als ich die Hütte erreiche und bibbernd eintrete, umgibt mich sofort eine wohlige Wärme. Und jetzt um kurz nach zehn Uhr sitzt eine Familie gemütlich am Tisch und frühstückt, sie haben hier offensichtlich übernachtet. Wenn die wüssten, was ich heute schon hinter mir habe…
Ich bestelle eine Pfannkuchensuppe und platziere mich direkt am großen Kachelofen, der wohlig knistert und eine angenehme Wärme ausstrahlt. Glücklich und durchgefroren wie ich bin, schmiege ich mich direkt an den Ofen und würde am Liebsten reinkrabbeln.

So lasse ich mir die heiße Suppe schmecken und trockne mich und meine Sachen an dem Ofen – wunderbar.
Da sieht die Welt doch gleich wieder anders aus, auch wenn es jetzt draußen wieder in Strömen regnet.
Immer mehr nasse Wanderinnen und Wanderer finden sich ein und beklagen das schlechte Wetter. Direkt neben der Hütte gibt es übrigens eine Seilbahn, die sicherlich auch den ein oder anderen Gast hinaufbefördert hat oder schnell wieder ins Tal bringen wird.
Ich nutze den Internetempfang, um mein Blog zu aktualisieren, aber nach einer Stunde kann ich meine weitere Anwesenheit auch nicht mehr begründen.
Die Wetterprognose sagt natürlich nichts Neues – es soll weiter regnen. Hier einfach sitzen bleiben kann ich aber auch nicht und so packe ich zusammen und wage mich wieder nach draußen.
Der Temperaturunterschied zwischen Kachelofenwand und draußen ist massiv und ich muss mich erst wieder an die Kälte gewöhnen.
Es geht jetzt alles bergab und nach einer halben Stunde hört es tatsächlich auf zu regnen! Ich kann es fast nicht glauben und zwei Stunden dieses Glück genießen, bevor es wieder anfängt zu regnen.
Am Nachmittag bleibt es dann bei dem Wechselspiel zwischen Regen und trockenen Abschnitten, wobei der Regen eindeutig die Überhand hat.
Der Weg führt also ganz nach unten bis zu einer Straße, nur um auf der anderen Seite wieder hoch zu klettern.
Zunächst in Richtung Jochberg, wobei dieser nicht erklommen, sondern vorher zur gleichnamigen Almhütte abgebogen wird. Diese hat wegen dem schlechten Wetter allerdings geschlossen, so dass ich mir im weiteren Verlauf Wasser an einer überlaufenden Tränke auffüllen muss. Bei den Wassermengen, die es in den letzten Tagen und Stunden geregnet hat, sollte das Wasser aber einigermaßen genießbar sein, denke ich mir.
Der Wegverlauf ist eigentlich ganz schön, immer wieder Pfade an Berghängen und durch kleine Wälder hindurch oder auch mal über eine Weide, wobei diese noch nicht ganz so unter Wasser steht wie die von gestern.
Ich möchte heute noch so weit wie möglich an die Tutzinger Hütte heranlaufen. Nass bin ich sowieso, insofern ist es egal, dass es wieder regnet und dann habe ich es morgen nicht mehr so weit bis nach Lenggries.
Also wandere ich noch an der Kochler- und Staffelalm vorbei und versuche danach einen Schlafplatz zu finden.

Der Weg führt zunächst auf einem schmalen, schönen Pfad immer direkt an den Berghang geschmiegt um ein kleines Tal herum und am Pessenbacher Schneid vorbei, aber dahinter entdecke ich einen Abzweig, der zu einer verlassenen Hütte führt. Und neben der Hütte, die dem Ski-Club Penzberg gehört, steht ein großer Baum, unter welchem ich, etwas vom Regen geschützt, mein Tarp aufbauen kann.
Gesagt getan und einige Zeit später sitze ich endlich in meinem Zelt, ziehe mir trockene Sachen an und versuche mich aufzuwärmen, was nur teilweise gelingt.
Der Regen hört jetzt gar nicht mehr auf und ich bin gespannt, wie die Nacht wird, bei angekündigten 3-5°C.




Gamsfamilie 

Kochelsee 
Da komme ich her 
Pfannkuchensuppe 

Walchensee 




Zeltplatz unterm Baum 
amtlicher Ameisenhaufen

