Kentzenhütte – Unterammergau

26.08.2021, Tag 2, 23 km, Gesamtdistanz 34 km

Die Nacht war gar nicht soo kalt, wie ich es bei den angekündigten 6°C erwartet habe, was an dem gut geschützten Platz mitten im Wald liegen kann. Allerdings habe ich abends wohl doch die ein oder andere Wurzel übersehen und der harte Boden hat mich dann wenig schlafen lassen. Zumal meine Isomatte seit dem ersten Tag meiner Wanderung kaputt bzw. undicht ist. Ich hatte zwar im Vorfeld ein Loch geklebt, aber es scheint noch weitere Löcher zu geben, die ich nicht entdeckt hatte.

Bis jetzt konnte ich das immer mit einem weichen Untergrund ausgleichen, heute ist mir das offensichtlich nicht so gut gelungen. Und durch die fehlende Luft in der Isomatte geht natürlich auch die Wärmewirkung verloren, was ich heute Nacht auch gespürt habe.

Also bin ich gar nicht so traurig, als es 06:00 Uhr wird und ich aufstehen kann.

Nachdem ich den steilen Abhang wieder hinauf zum Wanderweg geklettert bin, geht es in sanften Serpentinen hinauf zum Bäckenalmsattel.

Die Sonne lässt sich entgegen der Prognosen blicken und der Tag scheint mit dem richtigen Fuß aufgestanden zu sein, er sieht ziemlich frisch und munter aus.

Bäckenalmsattel

Vom Sattel geht es links weg und steil den Berg hinauf, wobei der Weg auch hier relativ angenehm zu laufen ist und durch dichte Pflanzenteppiche führt.

Auf der ersten Kuppe traue ich mich sogar, Sonnenspray aufzutragen – die Mühe war allerdings vergeblich, da eine knappe Stunde nach meinem Start die Wolken die Oberhand gewinnen und die Sonne sich nur noch sehr selten und wenn dann durch einen dünnen Wolkenschleier blicken lässt.

Beim Anstieg auf den Kamm, den es dann weitergehen wird, ist es plötzlich super windig und kalt. Meine Windjacke flattert laut im Wind. Oben angekommen sehe ich das erste Tagesziel – und bin ernsthaft eingeschüchtert.

Es soll auf die große Klammspitze auf 1.924 Meter gehen. Aber von hier sieht der Berg – wie er da so majestätisch und solitär aufragt – uneinnehmbar aus…zumindest ohne umfangreiche Bergsteigerausrüstung.

Da soll ich wirklich hoch?!? Ganz alleine und bei diesem Wind?

Ich überlege ernsthaft, ob das eine gute Idee ist und wie die Alternativen aussehen könnten. So wie ich das sehe, käme nur zurückgehen infrage, da es ab hier keinen Abstieg mehr ins Tal gibt.

Während ich aber so auf dem Kamm weiterwandere, lässt der Wind wieder nach und ich passiere unbeschadet den Feigenkopf (1.866 m).

Wenn ich mir nur die nächsten paar Meter ansehe, ist es auch ein ganz normaler, wenn auch anspruchsvoller, Weg, wie ich ihn in den letzten Tagen regelmäßig gelaufen bin.

Die Sonne tut ihr bestes, die dicke Wolkendecke aufzubrechen und zumindest ein komplettes Verdunkeln zu verhindern und so klettere ich tapfer weiter, immer einen Schritt vor den anderen.

Seilpassage vor der großen Klammspitze

Die Seilpassage bringt mich dann auch nicht mehr aus der Ruhe und als ich auf Höhe des Klammspitzschrofen (1.869 m) bin, sieht der restliche Weg bis zum Gipfel gar nicht mehr so dramatisch aus wie vorhin. Jetzt wo ich näher dran bin, erscheint es sogar wie ein sehr gut machbarer Anstieg – und das bewahrheitet sich dann auch.

Um 09:27 Uhr erreiche ich den Gipfel der großen Klammspitze und bin richtig, richtig stolz auf mich. 🙂

Große Klammspitze (1.924 m)

Dieser Berg hat auf jeden Fall meinen vollen Respekt, aber ich habe es geschafft und stehe nun ganz alleine hier oben. In dem Moment gibt die Sonne endgültig auf und hinter mir überdecken innerhalb weniger Sekunden weiße Wolken lautlos sämtliche Berge und Kämme, die ich eben noch heraufgekraxelt bin.

Nach den obligatorischen Fotos (für welche die Sonne doch nochmal einen kleinen Strahl herüberschickt), mache ich mich glücklich und zufrieden an den Abstieg. Der liegt mir natürlich wieder nicht so, aber im Moment fühle ich mich, als ob ich alles könnte. Dann kann mich auch ein steiler, gerölliger Abstieg nicht aus der Fassung bringen.

Ein paar Minuten später treffe ich auf die ersten anderen Wanderer heute – dachte schon fast, ich bin heute alleine an diesem Berg unterwegs. Aber im weiteren Verlauf folgen noch weitere Personen, die alle den Aufstieg wagen.

Abstieg von der großen Klammspitze

Nach 50 Minuten ist dann der gröbste Teil des Abstiegs auch geschafft, die Wolken haben sich größtenteils verzogen und es geht nun zu den Brunnenkopfhäusern. Da es an dieser Hütte aber noch nicht mal Internetempfang gibt, gehe ich zügig weiter, ein paar Kilometerchen stehen heute schon noch auf dem Programm.

Der Weg mäandert jetzt in sanftem Auf und Ab immer am Hang entlang. Eingefasst von bunten Blumenwiesen oder wurzeligen Waldstücken. Es geht ab und zu nochmal etwas hoch, aber nichts Herausforderndes. Und so laufe ich irgendwann fast automatisch und lasse meine Gedanken kreisen, bis ich das August-Schuster-Haus am Fuße des Pürschel erreiche.

Es ist jetzt erst kurz nach 13:00 Uhr und bis nach Unterammergau sind es nur noch 6 km immer nach unten.

Ursprünglich wollte ich heute nur bis kurz vor den Ort laufen und morgen erst dort einkehren, aber da jetzt noch der halbe Tag vor mir liegt…

Also laufe ich mit zahlreichen anderen Wanderern und Wanderinnen die breite Straße auf dem sogenannten Pürschelweg nach unten. Es hat zwischenzeitlich angefangen leicht zu regnen, so dass ich meinen Schirm ausgepackt habe. Außerdem höre ich mal wieder Podcasts. Dazu gibt es auf dieser Tour relativ wenig Gelegenheit, da es nur selten langweilige Abschnitte wie diesen hier gibt.

Pürschelweg nach Unterammergau

In Unterammergau biege ich sofort ab und laufe die vier Kilometer bis Oberammergau an der Straße entlang, da ich hier einige Erledigungen vornehmen will.

Zum einen besuche ich die Drogerie Müller, um neue Blasenpflaster und Proteinriegel zu kaufen, zum anderen habe ich mir an den örtlichen Elektroladen das passende Netzteil von Apple schicken lassen, welches zu meinem neuen Kabel passt. Die Abholung ist unkompliziert und ich kann trotz des anhaltenden Regens auch die hübschen Häuser in Oberammergau bestaunen.

Ein Blick auf den Busfahrplan zeigt mir dann, dass ich noch den letzten Bus in Richtung Unterammergau um 17:22 Uhr bekommen kann, so dass ich mich auf den Weg zum Bahnhof mache. Die ganze Strecke nochmal zu latschen, habe ich wirklich keine Lust und so bin ich wenige Minuten später wieder in Unterammergau auf dem Maximiliansweg.

Ich habe gerade das letzte Haus des Ortes hinter mir gelassen und laufe durch zwei Weiden hindurch, als ein amtlicher Regenschauer vom Himmel prasselt. Tapfer halte ich meinen Schirm fast waagerecht nach vorne, um gegen den Wind und die riesigen Tropfen anzukämpfen, aber innerhalb weniger Sekunden sind meine Hose und Schuhe pitschnass. Es gibt weit und breit nichts zum Unterstellen.

Zehn Minuten später ist der Spuk vorbei und es hört sogar kurz ganz auf zu regnen…missmutig trotte ich weiter. Eigentlich wollte ich jetzt nur noch einen Schlafplatz suchen, da sind nasse Klamotten nicht gerade hilfreich.

Der Wind trocknet die Hose aber zumindest schnell von der Stufe pitschnass auf feucht und ich halte Ausschau nach einem geeigneten Plätzchen.

Es gibt eine kleine Hütte, in der ein Traktor geparkt ist und daneben wäre noch Platz – windgeschützt und trocken, aber der Boden ist leider zu steinig und durch meine kaputte Isomatte kann ich dort nicht bequem liegen.

Dann kommt eine halb offene Hütte, die aber ebenfalls über einen steinigen Schotterboden verfügt…Mist. Mit einer intakten Isomatte hätte ich ein schönes, trockenes Plätzchen sicher. Und es soll die ganze Nacht durchregnen.

Ich sehe mich schon auf einer der durchnässten Wiesen mein Zelt aufschlagen, als ich an einer Hütte vorbeikomme, deren Fenster/Tür mal nicht verriegelt ist. Und als ich hineinsehe kann ich mein Glück nicht fassen – ein Heuschuppen!!! Frisches, trockenes, weiches Heu…eine ganze Hütte für mich alleine 😉

Während der Regen mal wieder doller wird, breite ich mein Tarp auf dem Heu aus und forme mir einen passenden Untergrund als Bettchen. Hier drin ist es trocken und windgeschützt. Zwar auch nicht viel wärmer als draußen, aber ich schätze, ich werde eine sehr bequeme Nacht haben. Die habe ich mir nach dem heutigen Tag auch verdient, sage ich jetzt mal so.

Gute Nacht. 🙂

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