02.07.2020, Tag 5, 25 km, Gesamtdistanz: 134 km
Pünktlich um halb zwei Nachts hat es angefangen zu regnen. Hatte die Wettervorhersage sich nur um eine Stunde vertan. Ich lag zufrieden unter meinem Tarp und dachte mir, wie schön es ist, dass mich der Regen nicht stört, weil ich alles wasserfest aufgebaut hatte.
Dann klatschte mir ein Wassertropfen ins Gesicht. Dann noch einer und ein dritter – wo kamen die denn jetzt her? Ein Griff an die Moskitonetz- Tür zeigte, dass sie komplett nass war.
Und ich war sofort wach und im Aktionsmodus. Taschenlampe an und Ursache gesucht. Von oben konnte das Wasser nicht kommen, der Schirm hing noch und bildete ein ausreichendes Vordach. Aber von unten…der Regen spritzte einfach vom Boden weg und direkt in mein Innenzelt hinein. Na toll…
Da das grundsätzlich nichts ungewöhnliches ist, hatte ich bei der Planung des Innenzeltes einen zehn Zentimeter hohen Rand aus dem wasserdichten Bodenmaterial vorgesehen gehabt – beim ersten Aufstellen zeigte sich aber, dass der Rand sich nicht bildete, weil die Abspannpunkte zu hoch angebracht waren. Ich hatte sie bewusst nicht ganz unten bei zehn Zentimetern angenäht, weil ich da keine Nähte und damit eine potenzielle Undichtigkeits-Stelle generieren wollte.
Mir viel dann aber auch keine bessere Lösung ein und so ließ ich es einfach so, in der Hoffnung, dass es auch ohne den Rand gehen würde…ging es ja auch – ganze drei Nächte lang.
Also musste ich mir etwas überlegen und so versetzte ich erstmal einen Hering vom Innenzelt etwas nach hinten und dann zog ich die Frontseite nach oben, indem ich den Reißverschluss oben an der Spitze befestigte – jetzt kam ich zwar nicht mehr raus, aber hatte den hohen Rand, der mich vor den Wasserspritzern schützte. Und bei dem Regen wollte ich sowieso nicht raus, war also alles gut und ich konnte weiterschlafen.


Entgegen meiner Erwartungen regnete es auch gar nicht durch, sondern immer mal wieder etwas. Als ich morgens wach wurde, regnete es gerade nicht und ich wollte die Gelegenheit nutzen, um aufzustehen und das Tarp abzubauen. Als ich auf die Uhr sah, war es viertel acht – wow – so spät schon! Da war ich sonst schon ne Viertelstunde unterwegs! Aber egal, ich hatte ja Zeit und war offensichtlich müde gewesen.
Die Strecke durch den Wald war richtig schön, es ging teilweise dicht am Waldrand entlang, so dass ich die Wiesen sehen, aber auf weichen Waldwegen laufen konnte. Und trocken blieb es auch, die Sonne kam sogar ab und zu hinter den Wolken hervor.
Überhaupt war der Anteil an Waldstrecken heute erfreulich hoch und die Straßensegmente kamen in einem fast annehmbaren Umfang vor.

Die ganze Wandertrilogie-Route folgte bisher in großen Teilen dem Jakobs-Pilgerweg und dem Kneip-Wanderweg. Warum die aber immer auf Straßen entlangführen müssen, ist mir ein Rätsel. Offensichtlich darf Pilgern keinen Spaß machen 😉 (ja ich kenne den historischen Grund für die Wegführung über die Straßen, aber könnte man ja mal anpassen und modernisieren…(habe ich jetzt modernisieren und Kirche in einem Satz genannt? Sorry, mein Fehler!))

Auf dem Weg nach Bad Grönenbach, dem nächsten Etappenort, führte der Weg über Wolfertschwenden. Der Ort viel mir durch eine relativ große Anzahl an Gewerbebetrieben bzw. Fabrikhallen auf. Das war so ganz anders, als die kleinen, beschaulichen, landwirtschaftlich geprägten Allgäuer Ortschaften, durch die ich vorher gekommen bin.
Und das sollte nur ein Vorgeschmack auf Bad Grönenbach sein, welches ich über das Gewerbegebiet erreichte. Mir sagten die meisten Namen an den großen Hallen nichts, nur Rapunzel, den Bio-Lebensmittelhersteller, erkannte ich wieder.
Um halb zwölf erreichte ich dann aber den alten Marktplatz im Ort und da war heute sogar Markttag mit einigen Verkaufsständen.
Ich suchte als erstes wieder die öffentliche Toilette auf, hier gab es allerdings keine Steckdose, so dass ich als nächstes ein Restaurant finden musste, wo ich auch Strom bekommen konnte.
Das war aber auch schnell in Form eines Pizza-Lieferdienstes mit Sitzmöglichkeiten gefunden und ich war glücklich, wollte ich heute doch unbedingt einen Salat mit Thunfisch und Ei essen 🙂

Danach suchte ich vergeblich eine Drogerie, da ich neue Blasenpflaster kaufen wollte, aber dann musste das eben noch warten.
Ab Bad Grönenbach gab es jetzt zwei Möglichkeiten, weiterzugehen. Eine Variante führte nach Memmingen, der größten Stadt hier in der Gegend. Da man dafür allerdings eine Strecke von 12 Kilometern hin und auf genau demselben Weg wieder zurückgehen müsste, hatte ich mich entschieden, Memmingen auszulassen. Ich würde dort ja auch nicht weiter machen, als das Steinmännle zu fotografieren und wieder umzukehren.
Also lief ich direkt weiter nach Illerbeuren. Auch jetzt am Nachmittag wieder erfreulich viele Waldstrecken und wenig Straße.

Die Wettervorhersage in Bad Grönenbach hatte für den Abend und die Nacht Regen vorhergesagt. Und als ich gegen 17:00 Uhr in Illerbeuren eintraf, verdunkelte sich der Himmel und es grollte lautstark in der Ferne. Einen ersten Regenschauer hatte ich vorher schon locker mit meinem Schirm abgefangen, aber als es jetzt anfing zu regnen, war es anders…stärker und heftiger…ich entdeckte auf der anderen Straßenseite eine Bushaltestelle und stellte mich dort unter – und dann tat sich der Himmel auf und ein Wolkenbruch allererster Güte kam hernieder – samt Hagelkörner, die so stark auf das Dach der Haltestelle klirrten, dass ich dachte, sie schlagen durch!
In wenigen Sekunden fielen mehrere zig Liter Wasser, die Straße war überflutet und die wenigen Autos, die noch unterwegs waren, hinterließen große Fontänen, als sie durch die Sturzbäche fuhren.
Und ich war dankbar über die Bushaltestelle 🙂 Meine Freude währte allerdings nicht lange, da ich die Gelegenheit der Pause nutzte, um die Speicherkarte in der GoPro zu tauschen. Die erste hatte tatsächlich noch bis heute durchgehalten, jetzt war sie aber voll und die zweite fällig. Als ich sie einsteckte war aber nur Platz für knapp 30 Minuten Video – was zu wenig war. Mir viel ein, dass die Karte nicht leer, sondern noch mit den Australien-Fotos bestückt war. Ich hatte vor, sie zu formatieren, wenn ich sie brauchen würde. Nun fand ich aber die Funktion zum Formatieren bei der GoPro nicht! Na toll…mit 30 Minuten Aufnahmekapazität würde ich nicht weit kommen! Ich war sauer und wusste nicht genau auf wen.
Trotzig lief ich, als der Regen in ein leichtes Nieseln übergegangen war, weiter und füllte auch kein Wasser nach, da ich keine Lust hatte im Ort noch lange nach einem Wasserhahn zu suchen. Ich hatte noch anderthalb Liter, das musste bis morgen reichen.
Ich wollte sowieso nur noch ein paar hundert Meter in den nächsten Wald und dort mein Nachtlager aufschlagen. Auf dem Weg dorthin fing es wieder stark an zu regnen.
An einem Weg, der nicht auf der Wanderroute lag, fand ich ein ebenes, mit Moos bestücktes Fleckchen, welches perfekt für meine Zwecke war. Aber es regnete immer noch…da allerdings kein Ende in Sicht war, fügte ich mich meinem Schicksal und baute das Tarp im strömenden Regen auf – den Schirm mit dem Kinn eingeklemmt, damit ich die Hände frei habe.
War nicht lustig und nicht einfach, aber irgendwann standen Tarp und Innenzelt und ich saß drinnen im Trockenen (zumindest nachdem ich die nassen Klamotten ausgezogen hatte).
Für das Problem des Spritzschutzes auf der Vorderseite hatte ich jetzt eine neue Lösung gefunden, die es mir erlaubte, die Tür auch weiterhin zu öffnen – ich stellte einfach die Schuhe davor und klemmte das Material dort fest – funktionierte perfekt 🙂

Als ich dann noch feststellte, dass ich hier oben im Wald vollen LTE-Empfang habe und somit nachsehen konnte, wie man die SD-Karte in der GoPro formatiert, war ich wieder glücklich. Ich lud die schon gemachten Videos mittels WLAN und der App auf mein Handy, formatierte die Karte und hatte prompt mehr als eine Stunde Kapazität – jetzt war wieder alles gut und ich lag glücklich in meinem Quilt und schaute zu, wie draußen die Welt unterging.
Wobei es sich abends sogar noch etwas aufklarte, aber der Regen hörte nicht auf, ging nur auf ein normales Maß zurück. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass ich über Nacht nicht absaufe und morgen früh auch noch trocken liege.


























