Nach fünf Monaten in dem Land der Superlative und Einzigartigkeiten kann ich ein gemischtes Fazit ziehen.
Fest steht, dass ich vorher keine Ahnung davon hatte, was Australien für ein Land ist. Welche abwechslungsreichen und vielfältigen Landschaftsformen, Vegetationszonen und Tierarten der Kontinent beherbergt.
Für mich war „Australien“ immer nur der riesige, trockene, lebensfeindliche Kontinent gewesen, der überwiegend aus dem Outback mit seiner roten Erde und hüpfenden Känguruhs besteht, und auf welchem sich aus mir unverständlichen Gründen an den Küsten Menschen angesiedelt hatten, die nicht wie die Ureinwohner im Outback überleben konnten.
Nachdem ich nun einmal das Land umrundet habe, kann ich verstehen, dass man sich hier ansiedeln möchte.
Australien beherbergt schon allein durch die Ausdehnungen über mehrere Klimazonen im Grunde fast alles, was man sich in der Natur vorstellen kann – na gut, außer hohe Berge, aber man kann eben doch nicht alles haben.
Das Outback ist zwar flächenmäßig eindeutig die vorherrschende Landschaftsform, allerdings gibt es genauso gut grüne, undurchdringliche Regenwälder, lange, weiße Sandstrände, weite, fruchtbare Felder, naturbelassene, wilde Steilküsten, schneebedeckte Berge und und und
Man findet goldene Weizenfelder, in Reih und Glied angeordnete Weinreben, hohe Bananenstauden, kräftiggrüne Kaffeepflanzen.
Im Grunde wird alles Obst und Gemüse, welches wir so kennen, in irgendeiner Ecke Australiens angebaut und müsste theoretisch nicht importiert werden.
Und wenn man das Glück hat, in einer günstigen Gegend – zum Beispiel Melbourne – zu wohnen, kann man sowohl das Meer, die Skigebiete in den Bergen, jede Menge Weinanbaugebiete, das Outback und die schönsten Wandergebiete innerhalb von wenigen Stunden erreichen. Und lebt in der interessantesten und kulturell vielfältigsten Großstadt Australiens.
Überhaupt können die Australier ihren Urlaub jahrelang woanders verbringen und müssen trotzdem nicht das Land verlassen – und das tun sie auch. Die Australier sind mindestens genauso gerne und oft mit einem Wohnwagen oder -mobil unterwegs, wie es den Niederländern nachgesagt wird.
Meine Reise hat also genau das bewirkt, weshalb man sich überhaupt auf den Weg in die weite Welt macht – ich habe ein mir unbekanntes, fremdes Land besser kennengelernt. Und mir gefällt Australien, auch wenn ich leider wenig Kontakt zu den Bewohnern hatte.
Und das führt mich dann auch zu dem kritischen Teil meines Fazits.
Wenn ich mit dem aktuellen Wissen nochmal ein halbes Jahr für dieses Land Zeit hätte, würde ich eine andere Reiseroute wählen und mir kein Auto mehr kaufen.
Die große individuelle Freiheit ist sowohl ein Vorteil, da man anhalten kann, wo und wann man möchte und auch in Ecken gelangt, die zum Beispiel ein Bus nicht ansteuert, aber gleichzeitig auch ein Nachteil, da man so nicht oder nur sehr schwer mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt kommt.
Außerdem führt ein eigenes Auto natürlich zu mehr Verantwortung im Falle von Reparaturen oder Unfällen und man muss es dann auch wieder loswerden.
Und letztendlich ist es zumindest auf den langen Strecken ein relativ langsames Fortbewegungsmittel und Fliegen würde sich bei den Distanzen, die in Australien zurückzulegen sind, an einigen Stellen eher anbieten.
Ich würde „beim nächsten Mal“ die Süd- und Ostküste Australiens per Bus und Mitfahrgelegenheiten bereisen, dann ins Zentrum nach Alice Springs fliegen und Uluru besuchen und dann an die Westküste fliegen und diese mit einem Mietwagen erkunden. Das Top End inklusive Darwin kann man m.E. getrost weglassen und die Zeit dann lieber den anderen Gegenden widmen.
Trotz allem konnte ich in den fünf Monaten schon einen guten Eindruck von den Australiern gewinnen und ich muss sagen, das ist schon ein sehr besonderes Völkchen.
Sie werden mir als die Nation in Erinnerung bleiben, die
– eine Abkürzung für alles und jeden hat. Neben den vielleicht bekannten Abkürzungen wie Brekkie (Breakfast), Barbie (Barbeque) und Footy (Australian Football) gibt es natürlich auch Sunnies (Sunglasses), Peds (Pedestrians) und die schon fast euphemistische Verniedlichung „Salty“ (Leistenkrokodil, welches im Salzwasser lebt und regelmäßig menschliche Todesopfer verursacht). Deren harmlose Verwandten sind natürlich die Freshies (Krokodile, die in Flüssen leben).
– einen Feiertag für das Finale des Nationalsports hat. Seit drei Jahren ist der Freitag, an welchem das große Finale im Australian Football stattfindet, zumindest in Victoria ein Feiertag, damit die Fans sich ganz der Unterstützung ihres Teams hingeben können. Australian Football hat übrigens nichts mit europäischem Fußball zu tun, sondern ist noch am Ehesten mit Rugby zu vergleichen – wird aber auf einem ovalen Feld gespielt und hat auch sonst etwas andere Regeln als Rugby.
– momentan fast in eine ausgewachsene Staatskrise schlittern, weil sieben Abgeordnete festgestellt haben, dass sie eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen.
Laut australischer Verfassung dürfen Australier, die noch eine weitere Staatszugehörigkeit besitzen, nicht ins Parlament gewählt werden. Nun hat sich in den letzten Monaten eine wahre Kettenreaktion gebildet – ein Parlamentarier nach dem anderen stellt plötzlich fest, dass er noch eine zweite Staatszugehörigkeit besitzt – nicht groß verwunderlich, da Australien ein klassisches Einwanderungsland ist. Das führt jetzt aber zu einer Menge Rücktritte von Parlamentariern – oder einer entsprechenden Weigerung mit der Begründung, dass der eigene Fall ganz anders einzuordnen ist. Ganz Australien wartet jetzt gespannt auf die Entscheidung des obersten Gerichtshofs im Fall der „Citizenship Seven„.
Durch die Rücktritte haben sich übrigens die Mehrheiten im Parlament so verändert, dass die Regierungskoalition keine Mehrheit mehr hat…verzwickt das ganze.
Und so habe ich nicht nur einmal mit dem Kopf geschüttelt, angesichts der Themen und Eigenarten, die die Australier beschäftigen bzw. ausmachen.
Was ich richtig toll finde, ist das sehr schöne, gut verständliche Englisch, welches sie sprechen. Da kommt die Commonwealth-Zugehörigkeit noch sehr deutlich zum Vorschein, auch wenn die Städte ansonsten eindeutig eher asiatisch geprägt sind – liegt ja auch viel näher als Europa.
Alles in allem war es eine sehr schöne und interessante Reise und ich bin froh, dass ich relativ viel Zeit hatte, um fast alle Ecken Australiens erkunden zu können, auch wenn selbst fünf Monate noch sehr knapp für dieses große Land sind.