13.08. – 20.08.2017
Es sind insgesamt rund 3.400 Kilometer von Darwin an der Nordkueste bis nach Coral Bay an der Westkueste Australiens. Und das Kilometerfressen nervt mich zunehmend…ich nutze die Zeit zwar, um Podcasts zu hoeren und langweile mich dadurch nicht, aber hunderte Kilometer mit dem Auto zu fahren, nur um dann wieder fuer ein, zwei Tage etwas Schoenes zu sehen, ist jetzt nicht mein favorisiertes Reisekonzept. Aus diesem Grund freue ich mich immer mehr auf die Wanderung und moechte einfach nur noch so schnell wie moeglich nach Perth kommen.
Heute werde ich aber zunaechst noch einen Abstecher an die Westkueste Australiens machen, bevor ich nach Sueden fahre. Ich freue mich auf das Meer und fahre gutgelaunt los, obwohl die Matratze schon wieder undicht war und ich eine entsprechend unbequeme Nacht hatte.
Keine zehn Minuten nach meinem Start schlingert mein Auto ganz komisch, obwohl ich auf einer Asphaltstrasse fahre…ach menno…echt jetzt, schon wieder?
Ja…als ich aussteige sehe ich hinten rechts den geplatzten Reifen…nun gut, hilft ja alles nix und ist ja auch kein Drama, den Reifen zu wechseln – dachte ich…

Ich fahre in eine Schotterstrasse, die hier gerade abbiegt und fange an, den Reifen zu wechseln. Schon beim Anheben des Autos mit dem Wagenheber tritt aber das erste Problem auf – der Reifen hebt sich nicht wirklich vom Boden ab…die Karosserie geht schon um einiges nach oben, aber der Reifen eben nicht…

hoeher gehts nicht…reicht aber nicht zum Reifen wechseln
Als ich von hinten unters Auto schaue, haengt die Radaufhaengung rechts auch deutlich weiter schief nach unten als links…na toll, ist etwa noch mehr kaputt als nur der Reifen?
Ich schalte mein Handy ein, schliesslich habe ich eine Mitgliedschaft beim Pannendienst – aber kein Netz…hm.
Seit ich hier stehe, ist nur ein Auto vorbeigekommen, da war ich aber noch so optimistisch, den Reifen alleine wechseln zu koennen und habe es nicht angehalten.
Ich inspiziere den Wagenheber und stelle fest, dass er unter Last nicht komplett auf geht. Wenn ich Glueck habe, ist nur der Wagenheber kaputt und nicht noch die Achse oder so… Ich setze den Wagenheber nochmal an, kurbel ihn so weit wie er mitmacht nach oben und kann den kaputten Reifen mit einiger Muehe abziehen. Der neue, voll aufgepumpte Reifen passt aber auf keinen Fall unter die Aufhaengung…
Also stelle ich mich an die Strasse und warte auf ein Auto, um mir einen Wagenheber leihen zu koennen…es kommt nur niemand…nach mehreren Minuten hoere ich ganz entfernt ein Motorengeraeusch – na endlich. Es dauert nochmal einige Minuten, bis das Knattern naeher ist, da aufgrund der weiten Ebenen die Geraeusche hier unglaublich weit getragen werden.
Ich sehe gespannt in Richtung Kurve und hoffe, dass der Fahrer auch anhaelt. Das Knattern wird lauter und ein Motorrad kommt auf mich zugefahren. Ach menno! Der kann mir natuerlich nicht helfen und ich lasse ihn ungestoert weiterfahren.
Ich warte weitere lange Minuten, aber es laesst sich kein Fahrzeug mehr blicken. Und nun?
Es gibt noch eine Loesung, auf die ich aber eigentlich keine Lust habe, doch waehrend ich auf ein Auto warte, kann ich ja mal anfangen. Also lasse ich mich neben dem Auto nieder und fange an, mit dem Schraubenschluessel unter der Radaufhaengung ein Loch zu graben. Wenn es tief genug wird, sollte ich den Reifen aufhaengen koennen.
Das Graben geht besser, als ich befuerchtet hatte und nach einigen Minuten und einmal Probeanpassen gelingt es mir tatsaechlich, den neuen Reifen gerade einhaengen zu koennen. Als ich gluecklich die Muttern aufschraube, kommt natuerlich endlich ein Auto vorbeigefahren – tja, jetzt brauche ich auch keine Hilfe mehr und gucke gar nicht auf.

mit Loch buddeln klappt es dann doch endlich
So hat der Reifenwechsel anstelle von wenigen Minuten eine gute Stunde gedauert, aber am Ende kann ich weiterfahren und als der neue Reifen drauf ist, befinden sich die Aufhaengungen auch wieder in gleicher Hoehe, das lag also wirklich nur an dem Platten.
Zufrieden fahre ich weiter und komme am fruehen Nachmittag in Coral Bay an.
Ich habe mir den Ort nicht zufaellig ausgesucht. Vor Coral Bay liegt das Ningaloo-Korallenriff. Seines Zeichens ein 260 km langes Riff, dass seit 2011 als Weltnaturerbe gefuehrt und geschuetzt wird. Und das Schoene an dem Riff ist seine Naehe zur Kueste. Teilweise ist es nur 20 Meter vom Strand entfernt und kann somit besichtigt werden, ohne eine teure Tour buchen zu muessen.
Natuerlich habe ich mit dem Wetter mal wieder nicht so viel Glueck. Seit ich mich in Kuestennaehe befinde, ist es stark bewoelkt und fuer den naechsten Tag ist Regen angesagt. Ich kaufe mir dennoch ein Schnorchelset und stuerze mich in die Fluten. Ich hatte die anderen Schnorchler direkt vorm Strand im Wasser treiben sehen und war gespannt, ob das Riff wirklich so nah sein wuerde.

Coral Bay
Es war noch viel naeher…an einer Stelle fuehrte eine Sandbank mit leichtem Gefaelle ins Wasser. Dann kam eine Kante und der Boden fiel in einem steilen Winkel mehrere Meter ab. Ich stehe an der Kante, bis ueber die Knie im Wasser und setze mein Schnorchelset auf. Als ich mich hinkniee, um mich an das kuehle Nass zu gewoehnen und unter Wasser schaue, schwimmt eine Gruppe Fische an mir vorbei – grosse Fische! Sie sind um die fuenfzig Zentimeter lang, cirka zwanzig Zentimeter hoch und glitzern silber-blau. Ich stehe erstmal wieder auf und hole tief Luft…wow…
Als die Gruppe an mir vorbeigezogen ist, lasse ich mich in die Fluten fallen und auf dem Wasser treiben – den Blick stur nach unten gerichtet, wo mir ein wunderschoenes, buntes, lebendiges Riff entgegenblitzt. Ich bin nur ein paar Schwimmzuege vom Strand entfernt und einen Meter unter mir befindet sich ein Korallenriff mit zig bunten Fischen! Ich bin begeistert.
Trotz der Bewoelkung reicht das Licht aus, um die farbenfrohen Fische und Korallen zu beobachten und ich paddel munter drauflos und sehe mir alles an. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass es so einfach ist. Und die Korallen sehen ueberwiegend wirklich lebendig aus. Langsam frage ich mich, warum man sich das Great Barrier Reef ueberhaupt noch ansehen sollte. Wahrscheinlich waere es besser, man liesse es einige Jahre in Ruhe und besucht dann lieber die anderen, wenn auch kleineren Riffe.
Als ich ausreichend durchgefroren bin, beende ich den Schnorchelausflug erst einmal und treffe am Strand auf stolze Fischer, die ihren Tagesfang wiegen und gleich vor Ort in praktische Portionsgroessen zerlegen.
Am naechsten Tag ist es tatsaechlich noch staerker bewoelkt und regnet vormittags ersteinmal. Als die Sonne zoegernd herauskommt, stuerze ich mich aber sofort wieder in die Fluten und bleibe bestimmt eine knappe Stunde im Wasser…ich kann mich einfach nicht von dem tollen Anblick loesen, jede Koralleninsel sieht anders aus, ich entdecke staendig neue Fische und sage mir immer – nur noch diese eine Koralle, dann drehe ich um…leider habe ich nicht das Glueck, einen Mantarochen zu entdecken, die hier auch rumflitzen, aber es ist auch so beeindruckend genug.
Ein wenig Angst schwingt bei mir ja auch immer mit, da ich schon Respekt vor den Wassertieren habe…und als ich einen knapp einen Meter langen, aber nur wenige Zentimeter schmalen Fisch vor mir im Wasser stehen sehe, bekomme ich auch leichte Gaensehaut. Der Fisch ist so schmal wie ein Aal und hat hinten einen ganz duennen, langen Schwanz. Vorne befindet sich ein langes, schmales Maul und dahinter glotzen mich zwei Glupschaugen an…ich habe mal ein Foto aus dem Internet rausgesucht:

Quelle: https://diveinaustralia.com.au/holidays/deep-sea-divers-den-reef-quest-premium-day-trip
Auch einen grossen Kugelfisch entdecke ich, aber zum Glueck haben die Fische offensichtlich mehr Angst vor mir als umgekehrt, zumindest bleiben sie alle unten am Riff oder schwimmen weg, wenn ich in die Naehe komme.
Nachdem ich mich dann doch irgendwann von dem Anblick loesen kann, das Wasser wieder verlasse und duschen gegangen bin, entscheide ich mich, weiterzufahren. Ich hatte zwar noch eine Nacht hier vor Ort eingeplant und wollte erst morgen frueh weiterfahren, aber es zieht sich schon wieder zu und faengt an zu regnen und dann kann ich hier vor Ort auch nichts mehr tun.
Gesagt getan und ich fahre an der Kueste in Richtung Sueden. Am naechsten Tag erreiche ich ein weiteres Weltnaturerbe, auf welches ich mich schon seit der Lektuere von „Fruehstueck mit Kaenguruhs“ von Bill Bryson freue. Die Stromatolithen.
Dazu steuere ich das Shark Bay Naturreservat an. Da man die Stromatolithen am Besten bei Ebbe betrachten kann, fahre ich zunaechst zum Shell-Beach. Das ist ein Strand, der nicht aus Sand, sondern komplett aus Muscheln besteht. Die Muscheln bilden eine bis zu zehn Meter tiefe Schicht, die so stark verdichtet wird, dass sie in Bloecken abgebaut werden kann. An einigen Stellen ist der 14 Kilometer lange Strand bis zu zehn Meter tief und Anfang des letzten Jahrhunderts wurden wirklich einige Haeuser aus diesen Muschelsteinen errichtet.
Nach einem entspannten Spaziergang auf dem knirschenden Strand zieht es mich dann aber doch zu den Stromatolithen im nahegelegenen Hamelin Pool.
Stromatolithen sind genaugenommen nur Steine…aber aus mehreren Gruenden sehr besondere Steine.

Stromatolithen im Hamelin Pool
Zum einen werden sie von Mikroorganismen „hergestellt“. Die Oberflaeche der Stromatolithen ist von einer dicken, schleimigen Schicht Bakterien besiedelt, die Kohlenstoffdioxid verarbeiten. Im Laufe der Zeit bleiben kleine, feste Partikel im Umfeld der Bakterien haengen bzw. wird durch diverse chemische Vorgaenge Kalk gebildet, der sich langsam in duennen Schichten absetzt – seeeehr langsam! Die Stromatolithen im Hamelin Pool wachsen nur cirka 3 Zentimeter in einhundert Jahren!
Aber noch viel interessanter ist die Geschichte der Stromatolithen und der Bakterien. Diese Mikroorganismen stehen naemlich im Verdacht, die Grundlage fuer komplexes Leben auf der Erde geschaffen zu haben! Die ersten Stromatolithen gab es vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren. Die Meere, die damals noch deutlich salzhaltiger waren als heute, waren mit Stromatolithen bevoelkert. Die Bakterien produzieren bei ihrer Verarbeitung von Kohlenstoffdioxid Sauerstoff. Und weil unzaehlige der winzigen Bakterien ungefaehr zwei Milliarden Jahre lang ungestoert vor sich hin geblubbert haben, hat sich der Sauerstoffgehalt in der Erdatmosphaere um zwanzig Prozent erhoeht und es konnte weiteres Leben entstehen.
Faszinierend.

Tragischerweise fuehrte die Entstehung neuer Lebensformen dann auch dazu, dass die Cyanobakterien selbst als Futter fuer neue Bakterien herhalten mussten und so gut wie ausstarben. Aber an einigen wenigen Stellen auf der Welt gibt es sie noch – unter anderem eben im Hamelin Pool, an welchem ich jetzt auf einem Holzsteg stand, der ueber die Stromatolithenkolonie fuehrte.
Dass es hier noch Stromatolithen gibt, liegt an dem ungefaehr doppelt so hohen Salzgehalt im Vergleich zu normalem Meerwasser, den das Meer in dieser Bucht besitzt, weshalb natuerliche Fressfeinde der Bakterien hier nicht leben koennen. Der Salzgehalt entsteht durch eine Seegrasbarriere etwas weiter draussen, die nur wenig Meerwasser in die Bucht hineinlaesst. Zusaetzlich regnet es hier relativ selten und Frischwasserfluesse fuehren an dieser Stelle auch keine ins Meer. Das Wasser verdunstet aufgrund des starken Sonneneinfalls also schneller, als neues Wasser hinzukommt, so dass sich der Salzgehalt erhoeht.
Dies ist uebrigens auch der Grund fuer das ueberdurchschnittlich hohe Aufkommen der Muscheln am Shell-Beach, der nur ein paar Meter entfernt beginnt. Auch die Muscheln kommen mit dem hohen Salzgehalt sehr gut zurecht, haben dadurch aber keine Fressfeinde oder Konkurrenz und koennen sich entsprechend schnell vermehren.
Begeistert und ehrfuerchtig betrachte ich die Steinsaeulen, die leise im Wasser plaetschern und versuche mir vorzustellen, wie eine Welt ausgesehen hat, in der winzige Cyanobakterien die hoechstentwickelten Lebewesen waren…es gelingt mir natuerlich nicht wirklich, aber ich bedanke mich im Stillen trotzdem bei den unsichtbaren Bakterien fuer die Leistung, die sie erbracht haben.

Mit diesem Highlight endet meine Rundfahrt um Australien dann auch fast. Auf den restlichen Kilometern nach Perth entscheide ich mich naemlich, mein Vorhaben, den Kontinent einmal zu umrunden, aufzugeben.
Australien ist einfach zu gross bzw. meine Zeit zu knapp. Ich brauche cirka sechs Wochen fuer die Wanderung auf dem Bibbulmun Track. Da ich jetzt aber schon knapp zwei Wochen fuer die Reise von Darwin nach Perth benoetigt habe, muesste ich danach ohne groessere Stopps direkt bis nach Melbourne durchfahren, wenn ich mein Auto dort verkaufen moechte. Das macht ueberhaupt keinen Sinn, weshalb ich in Perth bleiben und das Auto hier verkaufen werde.
Dadurch komme ich sehr entspannt im regnerischen Perth an. Ich bin jetzt seit gut vier Tagen in dieser wunderschoenen Stadt, habe den groessten Teil der Zeit in der Bibliothek verbracht, um den Blog auf einen aktuellen Stand zu bringen und letzte Dinge fuer die Wanderung zu recherchieren und werde morgen loslaufen – endlich 😉
Die Pakete sind auch alle angekommen, so dass ich mich mit einem neuen Zelt, neuen Trekkingstoeckern und auch einer neuen Isomatte auf die 1.000 Kilometer lange Wanderung begeben kann. Therm-a-Rest hat mir meine defekte Prolite tatsaechlich ohne Murren gegen eine neue umgetauscht.

nicht ganz so besucherfreundliche Verkehrsfuehrung in Perth
Natuerlich werde ich auch vom Bibbulmun Track berichten und hoffe, dass ihr weiterhin Spass an meinem Blog habt.
Wir haben wieder begeistert Deinen Blogg gelesen und die faszinierenden Bilder angesehen.
Dadurch erleben wir einen Teil Deiner Reise mit.
Viel Spaß und Durchhaltevermögen für die kommenden 1000 km.
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