22. – 24.12., 3 Tage, 90 km
Offensichtlich ist bei meinem letzten Artikel der letzte Absatz verschwunden…deswegen sei der Vollständigkeit halber noch kurz gesagt, dass ich nach meiner Ankunft in Taumarunui neben den üblichen „Stadtgeschäften“ wie Wäsche waschen, einkaufen und elektronische Geräte aufladen auch versucht habe, mich über die anstehende Bootstour zu informieren – leider mit keinem durchschlagenden Erfolg.
Der Te Araroa ist tatsächlich der einzige Wanderweg (den ich kenne), zu dem eine 3-7tägige Kayaktour gehört. Und die Bootstour auf dem Whanganui-River ist auch einer der neun Great Walks, die es in Neuseeland gibt. Das sind praktisch die bekanntesten und schönsten Qualitätswanderwege des Landes…nun gut. Ich und alle anderen Hiker freuen sich jedenfalls schon sehr lange auf diese Abwechslung vom Wandern, nur muss jetzt ein Anbieter gefunden werden, mit dem man die Tour machen will. Logistisch ist es nämlich nicht so einfach, da der Startpunkt mitten im Wald liegt, wir also hin wandern und die Company mit den Booten (und unserem Essen) zu einem verabredeten Zeitpunkt auch dort ist. Und genau das ist die Schwierigkeit, mit der ich zu kämpfen habe…wann bin ich am Startpunkt? Bis dahin stehen noch mindestens fünf Tage Wanderung auf dem Programm, vielleicht auch sechs…und eine Gruppe muss man auch finden, da man nicht alleine paddeln darf (und will).
Auf dem Campingplatz trudeln im Laufe des Tages Josh (USA) und Michi und Jo (D) ein und wir schmieden bis spät abends Pläne, von wo wir starten, wann und mit wem und überhaupt. Hinzu kommt, dass Josh und ich vor der Bootstour noch einen dreitägigen Rundweg im Tongariro Nationalpark laufen wollen, der nicht Teil des TA ist aber sehr schön sein soll…
Michi und Jo wollen am nächsten Tag auf die Gruppe mit Poppy und Co warten (mit denen bin ich vorm Pureora Forest losgelaufen, habe sie aber abgehängt) und dann gemeinsam einen Anbieter suchen und die Tour buchen.
Da ich drei Tage mehr laufen will, starte ich am nächsten Tag gegen Mittag, nachdem ich jede Menge Weihnachtsmails und den Blog geschrieben habe und lasse die Dinge auf mich zukommen.
Bis zum Tongariro Nationalpark sind es noch gut 60km, die ich in zwei Tagen mehr oder weniger abspule, da wieder ein Großteil Straße bzw. mit der 42. Traverse wieder ein Radweg dabei ist.
Nachdem ich abends am Wegesrand mein Zelt aufgebaut habe, kommt ein Mann auf einem Quad angebraust, der vor der Brust ein riesiges Gewehr zu hängen hat. Er grüßt freundlich und fährt weiter…immerhin weiß er jetzt, wo ich übernachte und verwechselt mich hoffentlich nicht mit was auch immer er heute jagen will…nach Einbruch der Dunkelheit brausen dann drei Quads in die andere Richtung an mir vorbei, damit sollte es wieder sicher sein. Jagen ist hier in Neuseeland total beliebt und weit verbreitet. Ohne es genau zu wissen würde ich sagen, dass es die zweitbeliebteste Sportart ist – hinter Rugby natürlich, da kommt nix ran.
In der Nacht schüttet es wie aus Eimern…mein Zelt bleibt trocken, allerdings ist der 12km-Track, der heute auf dem Programm steht dadurch natürlich nicht wirklich begehbar. Der Weg besteht aus zwei tiefen Rinnen zwischen denen ein halbrunder Hügel verläuft…oben kann man nicht laufen, weil man abrutscht und unten steht das Wasser teilweise kniehoch.

Die Pfützen sind teilweise kniehoch
Aber die Umgebung und Bepflanzung ist schön und da ich sowieso seit mindestens zwei Wochen täglich nasse Füße habe, ist es mir fast egal…und am Ende des Weges findet sich immerhin eine saubere Pfütze, in der ich Schuhe und Socken waschen kann.

wenn kein Fluss in der Nähe ist, muss die Pfütze reichen
Nachmittags kann ich auf dem letzten Stück schon meine morgige Strecke sehen – die Vulkane im Tongariro Nationalpark. Da für die Passage gutes Wetter empfehlenswert ist, frage ich an einem Campingplatz nach und es sieht für den 24. ganz gut aus…am 25. soll das Wetter zwar noch besser werden, aber wenn ich jetzt einen Tag warte, schaffe ich den anderen Rundweg evt. nicht mehr…Michi hat mir zwischenzeitlich geschrieben, dass unsere Bootstour am 01.01. startet und wir am 31.12. am Startpunkt eintreffen sollen. Das sollte alles zu schaffen sein, aber warten will ich jetzt doch nicht.
Also schlage ich mein Zelt am Fuße des Nationalparks auf und will am nächsten Morgen gleich früh loslaufen. Aufgrund eines Fehlers in den Trailnotes habe ich fast kein Wasser mehr, da die angekündigte Tankstelle nicht existiert. Ich kaufe an einem Touristenshop zwei teure 600ml-Flaschen und hoffe, dass es morgen nach sechs Kilometern an der Hütte Regenwasser gibt. Offiziell gibt es auf der ganzen morgigen Etappe kein Wasser…das wäre schlecht, dann hätte ich sehr, sehr wenig mit…ich koche Abends nicht, um Wasser zu sparen, sondern esse Würstchen und Cracker.

Morgendämmerung am Tongariro Nationalpark
Am nächsten Morgen kann ich direkt vom Zelt aus auf die Vulkane gucken, über denen noch einige Wolken hängen. Laut Wetterbericht soll es vormittags regnen, zum Mittag hin aber auflockern und sonnig werden und da ich sowieso erst mittags oben sein werde, würde das passen, wenn der Wetterbericht hier besser funktioniert als in Deutschland.
Das Tongariro Crossing ist ein 19 km langer, alpiner Wanderweg, der super beliebt ist und praktisch die eintägige Kurzversion des Tongariro Northern Circuit darstellt, der zu den Great Walks gehört. Es darf also mit ausreichend Publikumsverkehr gerechnet werden, insofern finde ich es praktisch, dass wir TA-Hiker das Crossing entgegengesetzt zur allgemeinen Wanderrichtung von Norden nach Süden laufen.
Zunächst geht es für drei Kilometer durch einen Wald bergauf. Hier sprudelt ein kräftiger Fluss den Berg hinab, allerdings kann man das Wasser nicht trinken, da es durch die vulkanischen Aktivitäten zu stark mit Mineralien angereichert ist. Nach dem Wald wird der Blick auf die ersten Gipfel frei…bzw auf die Wolken, die über den Bergen hängen. Es regnet und ist windig, aber ich stapfe tapfer weiter, es soll ja bald aufklaren.
Die Vulkane hier im Nationalpark sind noch aktiv, (der letzte Ausbruch fand 2012 statt!), und an einigen Stellen steigt Dampf auf und es riecht nach Schwefelsäure. Die umliegenden Gesteinsbrocken wurden alle von den Vulkanen ausgespuckt…trotz des schlechten Wetters und Geruchs ist es eine faszinierende und imposante Stimmung und ich freue mich auf den weiteren Weg – wenn ich denn vorher noch Wasser bekomme…

Lavagestein und Schwefeldämpfe
Nach sechs Kilometern kommt endlich die Ketetahi Hütte. Sie wurde bei dem Vulkanausbruch 2012 durch einige Gesteinsbrocken getroffen, weswegen man dort nicht mehr übernachten darf, aber zum Glück ist der Regenwassertank oben offen und ich kann endlich Wasser nachfüllen.
Danach geht es viel entspannter weiter bergauf. Schon gegen 09:45 Uhr kommen mir die ersten Wanderer entgegen…glücklich sehen sie aber nicht aus, eher durchgefroren. Ich frage mich, warum sie so früh los gegangen und so schnell sind, wenn doch das Wetter erst mittags gut werden soll – dann hat man doch gar nichts davon…aber gut, jeder wie er mag. Ich fange an, die Leute zu zählen, die mir entgegenkommen.
Oben auf dem ersten Kamm ist es eisig kalt, der Regen kommt für ein paar Minuten sogar als Schnee herunter und der Wind weht so stark, dass ich mich mit aller Kraft dagegenstemmen muss, um nicht umgeweht zu werden. Ich habe die Regenhose über der Wanderhose an und die Regenjacke über dem Merinoshirt. Das reicht erstmal, notfalls hätte ich aber noch die Daunenjacke zum Wärmen.
Der Weg führt zwischen zwei Gipfeln hindurch und rechts öffnet sich der erste Krater…wow…links kommt der Blue Lake, der seinen Namen natürlich zu Recht trägt.

Blue Lake
Und tatsächlich, es ist jetzt kurz nach elf Uhr, öffnet sich die Wolkendecke zunehmend, die Sonne schaut hindurch und schon eine Stunde später ist es nur noch leicht bewölkt. Nachmittags herrscht schönstes Sommerwetter.
Mir kommt jetzt die gesamte Wanderschar entgegen, die das Crossing in die „richtige“ Richtung laufen…ich bin fleißig am Zählen, bei 263 muss ich aber aufgeben – es sind einfach zu viele Menschen, die mir entgegen kommen. Ich schätze, dass mir an dem ganzen Tag zwischen 500 und 600 Personen begegnen…
Der Anstieg zum höchsten Punkt der Tour, dem roten Krater ist nochmal eine Herausforderung, weil der schwarze Sand ganz locker ist und ich immer wieder wegrutsche.

Anstieg zum Red Crater
Die anderen müssen hier alle runter und rutschen auch mehr, als dass sie laufen. Oben auf dem Gipfel ist es wieder extrem windig…ein abgestellter Tagesrucksack macht sich selbstständig und muss vom Besitzer wieder eingefangen werden. Die Windchill-Temperatur hier oben soll laut Wetterbericht um 09:00 Uhr -6°C betragen haben…viel wärmer fühlt es sich jetzt um zwölf Uhr aber auch noch nicht an…
Aber die Aussicht ist toll und auch der Krater selbst sieht fantastisch aus – insbesondere mit der lustigen Öffnung, die bei einem der Ausbrüche entstanden ist und wie ein Eingang ins Innere des Berges aussieht.

Red Crater
Eigentlich wollte ich noch auf den höchsten Vulkan, den Mt. Ngauruhoe klettern, aber als ich ihn mir so ansehe, vergeht mir die Lust.

Mt. Ngauruhoe aka Mt. Doom
Wie soll ich da denn hochkommen?!?! Viel zu steil! Es gibt nur einen Trampelpfad direkt nach oben…soll zwar nur drei Stunden hin und zurück dauern, aber ich brauche garantiert länger…und Lust auf diese Anstrengung habe ich auch nicht. Der Gipfel ist natürlich nicht Teil des TA, aber alle wollen da hoch, weil das der berühmte Berg aus „Herr der Ringe“ ist (Mt. Doom)…pah, ich habe den Film noch nicht mal gesehen – also was solls, ich bleibe unten!
Mit dieser Entscheidung geht es mir gleich viel besser und glücklich mache ich mich an den Abstieg und genieße den restlichen Weg, das gute Wetter und die tolle Umgebung mitten durch die erkalteten Lavaströme und durch ein Tal, in welchem jetzt auf der fruchtbaren Vulkanasche viele Pflanzen gedeihen.
Ich laufe an diesem Tag noch neun Kilometer weiter bis nach Whangapapa Village. Das ist eine Ansammlung von Touristenunterkünften und einer Touristeninformation im Nationalpark, die sowohl die Sommer- als auch Wintergäste aufnimmt. Der Nationalpark besitzt nämlich einige große Skigebiete.
Eigentlich wollte ich mich dort nur über den nächsten Wanderweg informieren und dann noch etwas laufen um irgendwo zu zelten, aber es gibt einen public shelter im Ort und der sieht wie gemacht für eine Übernachtung aus. Die Hütte hat zwar keine Tür, aber dafür Toiletten und Trinkwasser. Ich koche mir draußen am Picknicktisch meine Linsen und warte darauf, dass die Touristen in ihren Unterkünften verschwinden.
Als ganz so ideal erweist sich die Hütte dann aber auch nicht…mit Beginn der Dämmerung um halb neun Uhr geht das Licht an…und meine anfängliche Hoffnung, dass es um 22:00 oder 24:00 Uhr wieder aus geht wird leider nicht erfüllt…die Hütte ist die ganze Nacht über hell erleuchtet. Das kann ich noch damit lösen, dass ich mir den Quilt über den Kopf ziehe. Das Gluckern das Abflusses vom Wasserspender nervt da schon mehr…das Wasser läuft ohne Unterlass und selbst mit Ohrstöpseln höre ich das Gluckern und brauche immer lange zum Einschlafen.











