02. – 06.12., 5 Tage, 126 km
Der erste Tag nach den beiden Ruhetagen ist richtig anstrengend…es scheint als ob ich sämtliche Kraft und Kondition verloren habe. Eher liegt es aber wohl an der Überdosis Kohlenhydrate, die ich mir in den zwei Tagen einverleibt habe. Zuletzt gestern Abend und heute zum Frühstück jeweils eine große Portion Spaghetti Bolognese mit Parmesan. Davon hatte ich schon tagelang geträumt und sie mir gestern endlich gekocht. Die Reste sind jetzt in zwei Ziplockbeuteln verpackt und werden mir heute abend und morgen früh noch schmecken – kalte Nudeln sind genauso lecker wie warme.
Ich bin jetzt wieder alleine unterwegs, da Stephanie sich gestern eine private Unterkunft gesucht hatte und jetzt von dort startet. Da das ein ganzes Stück weiter südlich ist, hat sie jetzt einen Vorsprung vor mir.

Mount Eden
Als Purist laufe ich natürlich auch die gesamte Strecke in der Stadt und überspringe sie nicht. Es geht auf dem Coast to Coast Walkway quer durch die Stadt, dabei kommt man an vier Vulkanen vorbei. Die eindrucksvollsten, weil größten, sind Mount Eden, von welchem man einen super Überblick über die Stadt hat und One Tree Hill, der nicht ganz so hoch aber genauso beeindruckend ist. Ich kann mich nicht erinnern, schon mal so nah an einem Vulkankrater gewesen zu sein wie hier mitten in Auckland.

One Tree Hill
Die Aufstiege auf die Hügel schaffen mich total und ich bin froh, dass danach nur noch flache Strecken kommen. Ich laufe heute auch nur 20km bis zu einem einfachen Campingplatz in einem Regionalpark an der Küste und schlage dort mein Zelt auf. Es tut total gut, alleine unterwegs zu sein. Ich fühle mich freier, weil ich auf niemanden warten muss, mich nicht beeilen muss, weil jemand auf mich wartet, nicht abstimmen muss, wie weit ich heute laufe und wo ein geeigneter Platz zum Schlafen ist. Ich genieße das total und bin gut gelaunt.
Der nächste Tag ist ziemlich ernüchternd… Nur Straße, Straße, Straße. Es geht weiter durch die Außenbezirke Aucklands, am Flughafen vorbei und über Landstraßen immer in der Sonne durch Gewerbegebiete und Wohngebiete. Das einzige Highlight stellt ein Erdbeerhof dar, der auch frisches Erdbeereis verkauft. Glücklich halte ich meine Doppelkugel in der Hand, krame nach dem Fotoapparat und platsch – liegt das Eis im Dreck und ich starre entgeistert auf die leere Waffel in meiner Hand. Aaaahhhhh….glücklicherweise macht mir die nette Dame ein neues Eis, auf das ich dann besser aufpasse.

Abends komme ich durch den botanischen Garten von Auckland, die Strecke führt aber (natürlich) nicht an den evt interessanten Blumenrabatten vorbei, sondern nur durch die Wald- und Wiesenbereiche. Da es hier in der Stadt natürlich äußerst schwierig ist, einen Zeltplatz zu finden, plane ich mir hier irgendwo was zu suchenm . Direkt im botanischen Garten geht es nicht, aber dahinter ist ein großer Park, wo ich auf einem Spielplatz ein schönes Plätzchen finde und nachdem die letzten Eltern mit ihren Kindern endlich(!) gegangen sind, kann ich auch mein Zelt aufbauen.
Und noch ein Tag Straße laufen…langsam reicht es mir auch, wobei ich eigentlich immer nicht so viel gegen Straßen hatte wie andere. Aber 22km Straße zu latschen, nur um dann knapp 4km durch einen kleinen Wald zu laufen…das muss echt nicht sein, zumal wir dafür einen Umweg nach Cleveland laufen. Der direkte Weg dorthin wäre sicherlich deutlich kürzer gewesen – und die Waldstrecke war den Umweg jetzt auch nicht wirklich wert…dafür kommt nach Cleveland (und weiteren sechs Kilometern Straße) dann endlich wieder ein größeres Waldgebiet, die Hunua Ranges. 
Es geht wunderschön los, der ganze Wald gleicht einem grünen, glitzernden Spielplatz für Elfen und ich erwarte hinter jeder Ecke ein fliegendes Fabelwesen. Sehe sie aber leider nicht 😉

Am Hunua- Wasserfall gibt es auf dem Parkplatz eine riesige Wiese, wo ich bequem mein Zelt aufschlagen kann. Glück muss man haben.
Die Hunua Ranges sind ein großes Naturschutzgebiet und da die Strecke teilweise auch gleichzeitig eine Mountainbikestrecke ist, ist sie gut begehbar und macht Spaß. Ich komme an einem Staudamm vorbei und es gibt regelmäßig Parkplätze mit Toiletten, wo ich Wasser nachfüllen kann. Sogar drei Campingplätze gibt es, den letzten habe ich mir als Tagesziel ausgesucht – ausgerechnet auf diesem gibt es natürlich kein fließendes Wasser, sondern nur ein Plumpsklo, so dass ich durch stacheliges Brombeergebüsch an das unbefestigte Ufer des Flusses muss und halb über dem Fluss hängend mein Wasser filtere.
Der nächste Tage beginnt laut meinen Notes mir sehr anstrengenden, steilen 6km zwei Berge hoch und natürlich durch verkrauteten und verwilderten Wald. Ich frühstücke ordentlich und bereite mich moralisch auf die Anstrengung vor. Wasser hole ich aber nicht nochmal, habe keine Lust in den Fluss zu fallen und noch knapp 2 Liter da, wird schon reichen.

Spinnweben en galore…
Reicht natürlich nicht…das Waldstück ist vom Schwierigkeitsgrad eigentlich noch okay – nach gut 600 km bringt mich sowas zumindest nicht mehr an den Rand der Verzweiflung, ganz anders jedoch die Spinnweben. Es sind richtig, richtig viele und ich hasse sie. Es gibt kein Entkommen, egal wie sehr ich auch versuche durch wildes Auf- und Abwedeln meiner Trekkingstöcker die Weben zu zerschlagen, ständig klebt mir eine im Gesicht…ich bin RICHTIG genervt. Und an dieser Stelle mal wieder froh, dass ich alleine unterwegs bin und sich niemand meine Flüche anhören muss.
Stundenlang geht das so und ich hoffe inständig, dass die Info in den Notes stimmt, wonach heute abend ein kostenloser Campingplatz und eine Dusche auf mich warten!
Während ich zunehmend schlechtgelaunt durch den Wald stapfe, bergauf, bergab, rutschend, kletternd, fluchend, frage ich mich, ob Veganer eigentlich Spinnweben essen dürfen…anderenfalls könnten sie den TA überhaupt nicht gehen…muss ich mal Johanna fragen, sie hat das ja durch und ist Veganerin.

Nach drei, vier Stunden habe ich den Wald hinter mir, jetzt wartennoch 18km Straße und Uferwanderung auf mich, es ist warm und ich habe nur noch einen knappen Liter Wasser…hmmm…ich komme dann zwar an einen Fluss und laufe sechs km an ihm entlang auf dem Deich, allerdings komme ich nicht an das Wasser heran. 
Zehn km vor dem Ziel habe ich noch einen haben Liter Wasser und fange an, ihn zu rationieren. Ich trinke nur noch selten und immer nur einen großen Schluck. Ich versuche etwas schneller zu gehen, damit ich schneller da bin, was auf dem Deich nur manchmal funktioniert, wenn das Gras nicht zu hoch ist. Letztendlich kann man auch mal zehn Kilometer ohne Wasser laufen, mache ich beim Joggen ja auch ständig, aber Durst zu haben ist schon ein unangenehmes Gefühl und trotz der Bewölkung ist es unangenehm schwülwarm.
Also schnell über den Deich und dann noch die letzten vier Kilometer Straße – denke ich. Die Routenplaner wollten aber ausgerechnet hier die Straße meiden und scheuchen uns durch unzugängliches Dickicht direkt zwischen Straße und Fluss entlang. Es ist alles zu zugewuchert und verwachsen, dass man fast nicht durckommt. Außerdem ist es teilweise am Hang und man droht ständig abzurutschen. Und dass da fast ausschließlich stachelige Diestelpflanzen stehen ist wohl neuseeländische Ehrensache.
Meine Laune, die sich zwischendurch wieder etwas gebessert hatte, klettert wieder in den Keller…am Ende juckt mein gesamter Körper und ich bin von oben bis unten mit irgendwelchen Stacheln und Blüten beschmiert. Ich brauche dringend Wasser um mich zu waschen! Dieser Wunsch über steigt sogar meinen Durst. Die letzten Schlucke Wasser trinke ich, als endlich der Highway Rasthof in Sicht kommt, der das heutige Ziel darstellt. Auf der Tanke selbst trinke ich gar nichts, sondern wasche mich erstmal nur.
Das Motel auf dem Rasthof bietet TA-Hikern einen kostenlosen Zeltplatz im Garten und eine warme Dusche – ich werfe nur meinen Rucksack auf eine Bank und gehe als erstes duschen und wasche meine Klamotten im Waschbecken…erst danach baue ich das Zelt auf und lasse mir zur Belohnung eine große, dick mit Käse belegte Pizza schmecken.
Mit meiner Ankunft in Mercer habe ich die Auckland Region abgeschlossen. Sie hat sich nicht wirklich herzlich verabschiedet und ich freue mich auf die nächste Region, Waikato.











