Kerikeri – Paihia – Russel Forest – Whananaki- Ngunguru

16. – 20.11., 5 Tage, 114 km

Nach dem Ruhetag sind wir einigermaßen ausgeruht, trotzdem steht heute nur eine relativ kurze und nicht so fordernde Etappe an, muss ja auch mal sein und durch den mit Essen und Süßigkeiten vollbeladenen Rucksack ist das auch gar nicht so schlecht.

Ich gebe noch schnell meine Bouncebox bei der Post ab und dann geht es wieder in Richtung Trail. Der Waihare-Forest ist eine Überraschung – breite, ebene Waldwege ganz wie in Europa…sowas können sie also auch die Kiwis, wenn sie denn wollen. Es macht richtig Spaß durch den Wald zu laufen und so vergehen die 15km auch relativ schnell. Es ist sogar eine ausgiebige Mittagspause auf einem Aussichtspunkt drin.

Benjamin und Páll sind heute nicht mitgekommen, sondern fahren mit dem Bus nach Paihia, da sie Probleme mit dem Fuß bzw Knie haben. So sind wir nur drei aktive Wanderer, aber immerhin bleibe ich mir treu und bin die langsamste.
Der Weg nach Waitangi führt über den Golfplatz und dann an den Waitangi Treaty Grounds vorbei. Da ich voraussichtlich nur einmal hier in der Gegend bin, besuche ich trotz des stolzen Eintrittspreises von 32 Dollar (ca. 21 EUR) das Gelände. Neben dem Wandererlebnis kann ein bisschen Kultur ja nie schaden.

Treaty House

Die Treaty Grounds sind ein parkähnliches Gelände, in welchem sich das Treaty Haus befindet, von 1833 bis 1840 die „offizielle britische Residenz“. Hier wohnte und arbeitete James Busby als erster offizieller Regierungsvertreter Großbritanniens in Neuseeland. Hier wurde am 06. Februar 1840 auch der Vertrag von Waitangi unterschrieben, der das Zusammenleben der beiden Kulturen in Neuseeland regeln sollte, ganz konfliktfrei lief das Ganze leider nicht ab, bis heute versuchen die Maori, ihre Rechte einzufordern und durchzusetzen.

Auf dem Gelände befinden sich noch ein reich verziertes Versammlungshaus der Maori, das weltweit größte zeremonielle Kriegskanu Ngãtokimatawhaorua ( 35 m lang, mind. 76 Paddler) und ein erst im Februar dieses Jahres eröffnetes Museum über die gemeinsame Geschichte der Maori und Briten.

Ich schau mir alles an und bin froh, den Abstecher gemacht zu haben, gibt er doch einen guten Einblick in die Geschichte der Kiwis.
Danach sind noch einige Kilometer am Strand bzw durch Paihia zu tippeln und dann folgt noch ein Küstenweg, der sich an den Berghängen direkt am Meer entlang schlängelt.

Da mir der Zeltplatz mit 20 Dollar zu teuer ist, suche ich mir kurz dahinter ein schönes Plätzchen am Wegesrand und baue zufrieden mein Zelt auf. Die anderen sind in Paihia ins Hostel gegangen, nach zwei Nächten in Kerikeri wollte ich jetzt aber mal wieder zu Hause schlafen…also in meinem Zelt, welches mein Zuhause für die nächsten Monate ist.
Am nächsten Tag lassen wir uns mit dem Boot am nächsten Streckenabschnitt absetzen. Wir sind nur noch zu viert, da Benjamin weiter mit seinen Fußschmerzen zu kämpfen hat und in Paihia geblieben ist. Aber auch für unser kleines Grüppchen ist nun die Stunde des Abschieds gekommen. Urte will endlich wieder Strecke machen und große Teile des Weges rennen und die beiden Jungs sind auch schneller als ich. Also tauschen wir Nummern aus und  verabschieden uns. Ich finde es sehr angenehm, mal wieder komplett alleine zu laufen und kein bestimmtes Tagesziel erreichen zu müssen.

Nach einem Weg, der durch Maori-Land führt und normalerweise von niemand Fremden betreten werden darf (nur TA-Hiker dürfen), steht wieder River Walking an. Dieses Mal geht es ganze vier Kilometer durch den Fluss und es ist relativ kalt, zumal es immer wieder regnet. Nach gut zwei Stunden im Wasser ist das aber auch geschafft. Ein paar Kilometer gibt es eine Hütte, ich schaue nur, ob die Jungs evt dort Pause machen und gehe dann in die andere Richtung weiter. Plötzlich raschelt es am Wegesrand und ein schwarzes Ferkel läuft aufgeregt davon. Dann noch eins und ein helles mit dunklen Flecken…niedlich die kleinen, bin nur froh, dass sie ohne die Mutter spielen gegangen sind.

Jetzt sind es nur noch ca fünf Kilometer bis zur Straße, wo ich für heute Schluss machen will. Als ich nach einiger Zeit aufs GPS gucke, fällt mir fast das Handy aus der Hand…der Punkt, der meinen Standort darstellt ist meilenweit von der Linie des Trails entfernt – ich bin falsch!!!

Wie konnte das denn passieren? Sieht doch alles super aus hier und orangene Markierungen sind auch da…mangels anderer Sitzgelegenheiten setze ich mich direkt auf den Boden und vergleiche die Karte mit dem GPS…ich muss an der Kreuzung mit der Hütte falsch abgebogen sein…ich hätte in Richtung Hütte weitergehen müssen…aber da stand doch, dass es zur Hütte ein 50m-Umweg ist!?! Daraus habe ich geschlussfolgert, dass der richtige Weg in die andere Richtung geht, sonst wäre es ja kein Umweg…

wenn man nur was von Umweg liest und den dicken fetten schwarzen Pfeil übersieht…

Egal. Ich studiere die Karte und stelle fest, dass ich auch auf diesem Weg irgendwann wieder auf den TA kommen würde, zunächst will ich weitergehen, dann wird mir allerdings klar, dass ich das heute nicht mehr schaffe und erst morgen wieder auf den richtigen Weg treffen würde. Das ist mir nix und so drehe ich um. Dann übernachten ich eben an der Hütte und Laufe morgen weiter. Gesagt getan. Der Umweg hat mich insgesamt sechs km mehr gekostet, aber dafür war ich wieder richtig und bin so auch den TA lückenlos weiter gelaufen.

Am nächsten Tag standen nur 26km Straße an, nichts aufregendes und durch glücklicherweise überwiegend bewölktes Wetter auch einigermaßen gut zu schaffen.

Ich baue mein Zelt direkt am Beginn des nächsten Waldstücks auf, so dass ich morgens gleich los laufen kann. Nach einem Kilometer erreiche ich die 300km-Marke…für mich in doppelter Hinsicht ein wichtiges Zwischenziel. 300km entsprechen der längsten bisher von mir gelaufenen Entfernung. Diesen Rekord habe ich jetzt also eingestellt. Und außerdem habe ich jetzt ein Zehntel des gesamten Te Araroa geschafft…hmm…ist schon irgendwie ein langer Weg, wenn man das so betrachtet…

Das Waldstück ist gewohnt anstrengend mit steilen, matschigen Anstiegen und noch steileren und rutschigeren Abstiegen. Aber ich bekomme langsam den Dreh raus, wie man die Abstiege am Besten meistert – schnell! Einfach fallen lassen und runter rennen – klappt wirklich gut und ich finde fast Gefallen an diesen Wegabschnitten.

Ein großer Nachteil des Alleine-Laufens wird mir jetzt allerdings bewusst – ich bekomme sämtliche Spinnweben des Weges ins Gesicht, weil heute noch niemand vor mir hier lang gelaufen ist. Ekelhaft und total nervig! Ich will wieder jemanden, der vor mir als Spinnenfänger langläuft!

Mittags komme ich im Küstenort Whananaki an und gönne mir erstmal ein Eis – mein erstes Eis in Neuseeland! Und weil ich es mir verdient zu haben glaube, folgt gleich das zweite und ein großer Milchshake.

395 m lange Fußgängerbrücke aus Holz

Nach der ausgiebigen Pause laufe ich über die „längste Fußgängerbrücke der südlichen Hemisphäre“ und komme dann bei strahlendem Sonnenschein an einem Strand vorbei. Mein geschundener Körper muss immer noch die zwei Eis und den Milchshake verdauen und so gönne ich mir eine Belohnung, indem ich ins Wasser springe :-)) es ist soooo erfrischend, einfach toll. Der ganze Dreck und die Spinnweben wurden alle weggewaschen.

Mein Badestrand

Die Erfrischung hielt natürlich nur kurz an, nach zwei Stunden war ich wieder komplett durchgeschwitzt, aber es war trotzdem toll. Der Trail verlief jetzt auf breiten, angenehmen Gras – oder Schotterwegen die Hügel an der Küste hoch und runter. Er erinnerte mich an Portugal und lief sich wunderbar – so etwas verstand ich unter einer angenehmen Wanderung, nicht die Überlebenstrainings im Wald…war ich wohl doch eher der Jakobsweg-Pilgerer als ein waschechter Thru-Hiker…

Ich zeltete wieder am Beginn des nächsten Waldabschnitts, dieses Mal direkt im Nadelwald, und hatte somit am nächsten Tag nur noch sieben Kilometer Wald und sechs Kilometer Straße zu laufen, bevor ich in Ngunguru ankam. Ein nettes kleines Küstenstädtchen, wo ich im Minimarkt ein paar Lebensmittel kaufte (mein Rucksack war immer noch voll) und für den Abend Salat und Tomaten. Eine große Tüte Mandarinen habe ich dann gleich am Strand gegessen, während ich auf James gewartet habe, der mich mit dem Boot auf die andere Seite der Bucht gebracht hat. Praktischerweise betreibt er dort auch ein kleines Camp, hier wollte ich die Nacht verbringen. So hatte ich nur einen halben Tag zu laufen und konnte den gesamten Nachmittag über in der Hängematte relaxen.

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